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Wie kann ich mein Krisenmanagement mit Blick auf das StaRUG optimieren?

Das StaRUG hat vieles verändert: Unter anderem gelten seit dem 01. Januar 2021 im Insolvenzrecht neue Pflichten, auch hinsichtlich der Krisenfrüherkennung – was sich selbstverständlich auch auf das konkrete Krisenmanagement vor Ort auswirkt. Doch wie genau sind die Prozesse und Zuständigkeiten beim Krisenmanagement anzupassen? Unser Experte nennt 9 Maßnahmen.

1. Die Notwendigkeit einer Krisenfrüherkennung und eines Krisenmanagements erkennen

Das StaRUG bietet Unternehmen mehr Möglichkeiten als bisher, präventiv eine Insolvenz zu verhindern und Restrukturierungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzuführen.

Doch Voraussetzung für die Anwendung des StaRUG im Krisenfall ist unter anderem die Planung und der Aufbau einer Krisenfrüherkennung und eines Krisenmanagements. Das StaRUG sieht bereits in § 1 vor, die Geschäftsführung bzw. das Management habe „fortlaufend über Entwicklungen“ zu wachen, „welche den Fortbestand … gefährden könnten“. Und wenn sie „solche Entwicklungen“ erkennen, haben sie „geeignete Gegenmaßnahmen“ zu ergreifen.

Doch die Möglichkeit einer Krise wird oft als aktuell nicht relevant beurteilt. Das ist gefährlich, denn gutes Krisenmanagement funktioniert nur, wenn dessen Notwendigkeit auf allen wesentlichen Ebenen erkannt wird, insbesondere natürlich auf der Gesellschafter- und Geschäftsführungs-Ebene. Schließlich verursacht Krisenmanagement erst einmal Kosten, denen keine direkten Einnahmen gegenüberstehen.

Deshalb muss das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Systems der Krisenfrüherkennung und eines entsprechenden Krisenmanagements auf allen wesentlichen Ebenen des Unternehmens geweckt und kultiviert werden.

Tatsächlich ist das Geheimnis effektiven Krisenmanagements ein entwickeltes Risikobewusstsein: Krisen sind Sondersituationen, Krisenmanagement dagegen Alltagsgeschäft.

2. Einen "Leiter des Krisenmanagements" benennen

Unternehmen sollten einen „Leiter des Krisenmanagement“ benennen, der insbesondere die Risk Assessment-Workshops moderiert, in denen die Risikoanalysen erarbeitet werden, und die Umsetzung der entsprechenden Gegenmaßnahmen überwacht und kontrolliert.

Um eine gewisse Neutralität zu ermöglichen, sollte der Leiter des Krisenmanagements das Krisenmanagement dem CEO gegenüber direkt verantworten. Und er oder sie sollte natürlich die nötigen Freiräume und Ressourcen haben, um effektiv zu arbeiten.

Es bietet sich aus mehreren Gründen an, einen externen Berater als Leiter des Krisenmanagements zu benennen:

Einmal erweitert ein Externer mit seiner Sicht von außen den Horizont.

Außerdem ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Krisenmanagements gerade zu Beginn oft noch nicht im Unternehmen vorhanden oder wird aus menschlichen Gründen verdrängt. Der Leiter des Krisenmanagements, der möglichst viel Erfahrung mit Unternehmenskrisen haben sollte, ist diesbezüglich sensibler und kann frühzeitig den Finger in die Wunde legen.

Drittens gehört das Risk Assessment nicht zu den beliebtesten Themen von Führungskräften oder Mitarbeitern, die das operative Geschäft vorziehen, auch weil ihnen oft das Gefühl für die Dringlichkeit der Aufgabe fehlt.

Und schließlich ist die Leitung des Krisenmanagements zumal bei KMUs kein Vollzeitjob.

3. Regelmäßig Workshops zum Risk Assessment durchführen

Um die Krisenfrüherkennung aufzubauen und dem Krisenmanagement eine Grundlage zu geben, müssen auf allen Ebenen des Unternehmens und unter Einbeziehung aller Akteure regelmäßig Risikoanalysen durchgeführt werden.

Dabei können grob drei Ebenen unterschieden werden:

  • die Unternehmensebene (Risiken sind hier z.B. Stromausfällen, Hackerangriffe, Pandemien),
  • die Projektebene (Risiken sind etwa Vergabe eines Großauftrages, Umsetzung eines Großprojekts) und
  • das Tagesgeschäft (Risiken sind bspw. Ausführung einzelner, möglicherweise gefährlicher Maßnahmen).

Die persönliche Einbeziehung aller Stakeholder ist wichtig, zumal über 70% aller Krisen ihren Ursprung im menschlichen (Fehl-)Verhalten haben. Krisenmanagement hat daher beim Human Element anzusetzen, auch wenn die Akteure das oft als persönlichen Angriff missverstehen. In der Organisation muss hier also eine Kultur der Akzeptanz des Human Element geschaffen werden, was nur Top-down und durch Praktizierung geht.

Für das Risk Assessment haben sich Workshops bewährt, die regelmäßig unter Leitung eines krisenerfahrenen Moderators veranstaltet werden.

4. Geeignete Gegenmaßnahmen erarbeiten

Die im Risk Assessment identifizierten Risiken werden etwa nach Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichen Folgen priorisiert und für alle Risiken ab einem bestimmten Schwellenwert entsprechende Gegenmaßnahmen und Prozesse definiert, terminiert und adressiert. Insbesondere muss für alle Risiken und Ereignisse, die schnelles Handeln erfordern (z.B. Hackerangriffe), ein detaillierter Notfallplan erstellt werden.

Allerdings können nicht alle Risiken im Vorfeld identifiziert und vermieden werden. Zur Krisenvermeidung gehört deshalb außerdem, dass alle Risiken in Szenarien geclustert werden und für diese Szenarien spezifische Aufgaben und Verantwortlichkeiten festgelegt werden.

Ziel ist der Aufbau von Barrieren gegen den Eintritt von Risiken, die eine Krise provozieren könnten, unter Einhaltung der Verhältnismäßigkeit. Letzteres ist wichtig, um die Mitarbeiter des Unternehmens mitzunehmen.

Um die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen zu erproben und deren Anwendung einzuüben, sollten unbedingt regelmäßig Notfallübungen ohne Ankündigung durchgeführt werden. Die Kontrolle der Umsetzung ist jedenfalls Sache des Leiters des Krisenmanagements.

5. Neutrale Steuerungsinstrumente einrichten

Fast jeder Krise bzw. Unternehmenskrise gehen 10 bis 1000 „Near Misses“ voraus. Diese muss man erkennen, um schon auf Tendenzen reagieren zu können. Dazu ist es unerlässlich, im Unternehmen eine Kultur zu schaffen, in der offene Fehlentwicklungen angesprochen werden können.

Das setzt freilich voraus, dass die Geschäftsführung das Management von Risiken vorlebt und zeigt, dass sie auf die Umsetzung von Maßnahmen achtet. Denn nur so entsteht Vertrauen und Handlungsbereitschaft bei den Mitarbeitern.

Des Weiteren müssen Daten, die oft schon vorliegen, so strukturiert werden, dass man schon Tendenzen erkennt, um frühzeitiges Handeln zu ermöglichen. Zwei Ebenen des Monitorings sind dabei sinnvoll:

  1. die Unternehmenssicht, die auf operative Risiken fokussiert ist, und
  2. die Gesellschaftersicht, die sich auf die Umsetzung des Krisenmanagements und strategische KPIs wie Liquidität konzentriert.

Um die vorliegenden Daten auszuwerten, sollte ein einfaches, allgemein verständliches KPI-System aufgebaut werden, das sowohl Hard Facts wie Zahlungsrückstände, Liquidität, Lieferverzug oder Arbeitsunfälle als auch Soft Facts wie Lieferantenbeurteilungen oder Lageeinschätzungen umfasst.

Außerdem sollte eine regelmäßige, z.B. monats- oder quartalsweise Besprechung der Berichte inklusive einer Definition erforderlicher Maßnahmen stattfinden.

Und schließlich sollte der Leiter des Krisenmanagements dem geschäftsführenden Management gegenüber direkt verantwortlich sein.

6. Eskalationsketten frühzeitig brechen und einen Restrukturierungsplan aufstellen

Führungskräfte tendieren dazu, Krisen und Krisensituationen als eigenes Versagen wahrzunehmen, was zu einer Leugnung des Problems führen kann.

Deshalb muss die Krise als solche klar kommuniziert werden, in der Regel vom Geschäftsführer des Unternehmens oder den Gesellschaftern, bei offener Kommunikationskultur auch vom Leiter des Krisenmanagements. Denn erst dann kann ein Krisenstab mit den wichtigsten Stakeholdern einberufen werden.

Der Krisenstab soll einen Restrukturierungsplan nach StaRUG erstellen und umsetzen. Ziel der Handlungen ist es, frühzeitig, ggf. mit harten Maßnahmen, Krisenprozesse und Eskalationsketten zu brechen, bevor sie nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Die Maßnahmen müssen dabei eher zu früh als zu spät eingeleitet werden, um Handlungsspielräume zu erhalten und Folgeschäden zu minimieren, insbesondere mit Blick auf die Liquiditätssicherung, aber auch der Sicherung der Lieferketten.

Der Krisenstab arbeitet bewusst parallel zum weiterlaufenden Alltagsgeschäft, weil nur so ein angepasster Arbeitsstil umzusetzen ist.

Die Zusammensetzung des Krisenstabs ist sachbezogen und muss Kompetenz und Handlungsfähigkeit gewährleisten. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass manche Führungskräfte, die in den Krisenstab berufen werden, sich scheuen, das Alltagsgeschäft im Krisenfall an ihre Stellvertreter oder Mitarbeiter abzugeben, da sie befürchten, dass diese den Job gut machen und sie selber überflüssig werden. Aber dann sind sie nicht voll auf die Krisenbewältigung konzentriert. Hier ist Leadership von Seiten der Geschäftsführung gefragt.

7. Gegenmaßnahmen laufend kontrollieren

Wirkliche Krisen haben sich als sehr dynamisch erwiesen.

Deshalb müssen alle Gegenmaßnahmen regelmäßig einem PDCA-Prozess unterworfen und die Zusammensetzung des Krisenstabs kontrolliert und ggf. angepasst werden. Der geeignete Zeitraum für Kontrollen kann dabei zwischen wenigen Stunden und mehreren Tagen liegen.

Weil die Überprüfung, Kontrolle und Korrektur von Maßnahmen häufig als Angriff auf die handelnden Personen wahrgenommen wird, sollte man eine Korrektur-Kultur im Unternehmen etablieren, in der Korrekturen nicht nur normal und erwünscht sind, sondern als Stärke des Teams bzw. der handelnden Person wahrgenommen wird.

8. Die Krisenkommunikation organisieren

Eine verfehlte Kommunikation kann insbesondere im Krisenfall die Reputation des Unternehmens massiv beschädigen und Glaubwürdigkeit bei Mitarbeitern, Lieferanten, Kreditgebern und anderen Stakeholdern zerstören.

Also braucht es eine klare Kommunikationsstrategie zum Erhalt der Deutungshoheit über die Ereignisse. Diese Deutungshoheit lässt sich erhalten, wenn einheitlich, kohärent, transparent und möglichst proaktiv kommuniziert wird.

Um diese Strategie umzusetzen, muss ein Kommunikationsverantwortlicher festgelegt werden, der das Wording und die Sprachregelungen übernimmt, die festgesetzten Kommunikatoren brieft, die auf strikt geregelten Kommunikationswegen und möglichst proaktiv Sichtweise und Deutung der Ereignisse vermitteln.

9. Aus Fehlern lernen: Debriefing nach der Krise

Zu jeder Krisenbewältigung gehört im Anschluss ein Debriefing mit offenem Austausch zu während der Unternehmenskrise gemachten Fehlern und Verbesserungsmöglichkeiten.

Das wird meist durch den neuen Alltag verdrängt. Ist es doch menschlich nachvollziehbar, dass Führungskräfte und Mitarbeiter nach einer Krise wieder in Ruhe in den Alltag zurückkehren wollen. Daher ist es wichtig, dass der Prozess der Aufarbeitung top-down initiiert und gefördert wird.

Unter der Leitung des Krisenmanagements sollte unbedingt ein Workshop mit allen Stakeholdern veranstaltet werden, um die Lessons Learned aufzuarbeiten und weitere Maßnahmen abzuleiten. Und diese Maßnahmen müssen im Unternehmen bzw. in der Organisation auch unbedingt umgesetzt werden, auch wenn das oft viel Geld kostet.