Wie kann man einen Leistungseinbruch bei einem Change-Projekt vermeiden?

Change-Projekte führen fast zwangsläufig zu Leistungseinbrüchen. Wer das vermeiden will, braucht ein effektives Projektmanagement. Aber nicht nur.

Wie vermeidet man bei einem Change-Projekt einen Leistungseinbruch?

In vielen Organisationen werden Veränderungsprozesse generalstabsmäßig geplant und wie Projekte durchgeführt.

Das ist zunächst nicht verwunderlich. Aus dem Projektmanagement sind wir es gewohnt, dass wir von einem Ist-Zustand ausgehen und einen gewünschten, definierten Zielzustand anstreben: Wir identifizieren die Schritte und Arbeitspakete, die zum Erreichen des Zielzustands nötig sind, und arbeiten sie Punkt für Punkt ab.

Bei größeren Veränderungsprozessen scheitert dieses Vorgehen jedoch häufig.

Die Ursache dafür ist: Sie werden handwerklich nicht gut durchgeführt. Wichtige Aspekte werden vergessen oder ignoriert.

Folgende Faktoren können wir dabei oft beobachten:

  • Der Zielzustand wird aus einer rein technischen oder organisatorischen Sicht beschrieben, etwa wenn neue Strukturen und neue Prozesse eingeführt werden. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass neue Arbeitsumfelder und Routinen eine gewisse Zeit benötigen, bis sie eingeübt sind. Neue Schnittstellen und Verantwortlichkeiten funktionieren nicht von einem Tag auf den anderen. Menschen verinnerlichen Veränderungen nicht sofort.
  • Manche Führungskräfte denken, dass den Mitarbeitenden nur in Form einer Anweisung mitgeteilt werden muss, welches Verhalten künftig erwünscht ist. Sie verkennen dabei, dass Veränderungen unweigerlich auch eine menschliche Komponente mit sich bringen – dass mit Hindernissen und Widerstand gerechnet werden muss, und zwar umso mehr, je weniger die Betroffenen in den Veränderungsprozess eingebunden sind.
  • Die Veränderung wird insgeheim beschlossen und geplant und erst zu einem bestimmten Zeitpunkt den verblüfften Mitarbeitern bekanntgegeben. Der Sinn wird dann nicht ersichtlich; die Umsetzung wird nicht verstanden. Als logische Folge kommt es zu Abwehrreaktionen.

Das Ergebnis ist sehr häufig ein Leistungseinbruch der Organisation, den man als eine J-förmige Kurve visualisieren kann. Die neuen Abläufe, Aufgaben und Rollen sind ungewohnt und müssen erst mit Leben gefüllt werden. Neue Routinen können nicht einfach nach dem Erteilen von Anweisungen als „gelernt“ und akzeptiert betrachtet werden.

Das Unternehmen braucht also eine gewisse Zeit, um die Veränderung zu „verdauen“, bevor die ursprüngliche Leistungsfähigkeit wieder erreicht ist. Eine noch längere Zeit verstreicht, bis die gewünschte höhere Leistung erzielt werden kann, so dass man schließlich von einem Erfolg sprechen kann.

Für ein wirksameres Change-Management gilt: Veränderungen, die von Menschen umgesetzt werden sollen, sollten auch mit den Menschen gemeinsam entworfen werden. Große Changes lediglich zu verordnen und dann in der Organisation planmäßig auszurollen, ist meistens ein Fehler.

Unternehmen sind komplexe Strukturen. Veränderungen, die nicht rein technischer Art sind, können deshalb nicht in Form von klassischen Projekten geplant und durchgeführt werden.

Und an vielen Beispielen kann man beobachten, dass solche großen Change-Projekte scheitern:

  • Sie führen nicht zum gewünschten Ergebnis.
  • Sie verursachen langanhaltende Leistungseinbrüche.
  • Sie verursachen aktiven oder passiven Widerstand und Demotivation der Mitarbeitenden.

Setzen Sie Prinzipien des Veränderungsmanagements um

Der erste Schritt zu erfolgreicheren Change-Projekten ist es, die wichtigsten Prinzipien des Veränderungsmanagements zu kennen und nach ihnen vorzugehen.

  1. Wecken Sie ein Bewusstsein über die Dringlichkeit der Veränderung. Wenn kein Einverständnis über die Ziele des Changes besteht, wird es fast zwangsläufig zu Widerstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen.
  2. Erstellen Sie – am besten gemeinsam mit den Betroffenen – eine Vision und kommunizieren Sie transparent über diese Vision.
  3. Bilden Sie eine Koalition aus Menschen, die die Veränderung als mögliche Lösung ansehen. Nutzen Sie sie als Multiplikatoren.
  4. Stellen Sie Akzeptanz bei den Mitarbeitenden her. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben von Führung im Veränderungsmanagement. Führungskräfte sollten mit ihren Mitarbeitern Gespräche auf Augenhöhe führen, Fragen stellen und vor allem zuhören.
  5. Befähigen Sie die Beteiligten dazu, dass sie die angestrebten Veränderungen umsetzen können.
  6. Sorgen Sie dafür, dass kurzfristige Erfolge entstehen, die gemeinsam gefeiert werden können.
  7. Sorgen Sie durch entsprechende Maßnahmen dafür, dass die Veränderung in der Unternehmenskultur verankert wird.

In Organisationen, die einen Veränderungsprozess anstoßen, sollten die Unternehmensleitung und das Management sich vollkommen klar darüber sein, dass eine gute und transparente Kommunikation gleich von Anfang an einen unerlässlichen Erfolgsfaktor darstellt.

Werden diese Prinzipien beachtet, ist es bereits möglich, Widerstände zu verringern und den unvermeidlichen Leistungseinbruch abzumildern.

Implementieren Sie einen partizipativen Prozess

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu nachhaltig erfolgreichen Veränderungen ist es jedoch, die Perspektive zu wechseln und Veränderung nicht mehr als Top-Down-Prozess zu begreifen. In einem partizipativen Prozess werden möglichst viele Beteiligte eingebunden und ihr Wissen und Können aktiv in den Veränderungsprozess eingebracht.

1. Gemeinsames Verständnis für Motivation und Sinn des Changes wecken

Anstatt nur ein Gefühl der Dringlichkeit zu wecken, ist es effektiver, wenn es bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis für die Ursache und den Sinn des Changes gibt.

  • Das setzt voraus, dass die Betroffenen zu einem frühen Zeitpunkt eingebunden werden.
  • So kommen wir zu einem Einverständnis über die Richtung, die eingeschlagen werden soll.

2. Einen echten Dialog mit den Betroffenen anstoßen

Anstatt Kommunikation lediglich so zu verstehen, dass die Unternehmensleitung in regelmäßigen Abständen informative Botschaften aussendet, ist es hilfreicher, mit den Betroffenen in einen echten Dialog zu treten.

  • Dadurch bekommen wir ein besseres Gespür für die tatsächlich nötigen Veränderungen.
  • Nicht zuletzt sind es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aus deren Reihen gute Ideen für Verbesserungen kommen können. Und wenn es zu ablehnenden Reaktionen kommt, können wir diese als Hinweise auf Verbesserungspotential sehen.

3. Kurze Experimente durchführen

Anstatt Changes wie Arbeitspakete aus einem Projektplan abzuarbeiten, ist es sinnvoll, definierte kurze Experimente durchzuführen. Aus den Ergebnissen und den Reaktionen kann das weitere Vorgehen angepasst und verbessert werden.

Dabei ist ein strukturiertes Vorgehen sehr hilfreich:

  • Wir führen das Experiment durch, um zu prüfen, ob ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden kann.
  • Wir geben dem Experiment einen bestimmten Zeitrahmen. Anschließend entscheiden wir, ob wir es verwerfen oder weiterverfolgen.
  • Wir messen den Erfolg des Experiments an bestimmten Messgrößen.
  • Wir nutzen die Erkenntnisse aus dem Experiment für weitere Schritte.

4. Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung etablieren

Anstatt einen irgendwann erreichten Zielzustand wieder einzufrieren, ist es vielversprechender, wenn in der Organisation eine generelle Entwicklung hin zum Grundprinzip der kontinuierlichen Verbesserung stattfindet.

  • Auch kleine Veränderungen bringen kleinere Leistungseinbrüche mit sich, die aber schnell aufgeholt werden können. Der negative Effekt ist nicht vergleichbar mit einer dramatischen J-Kurve, wie sie bei großen, schlecht durchgeführten Changes entsteht. Auf der anderen Seite stellen sich deutlich schneller kleinere Erfolge ein, die in der Summe das Ergebnis großer Changes weit übertreffen können.
  • In der Organisation sollten wir eine Kultur entwickeln, die kontinuierliche Verbesserung begünstigt, und wir sollten Leadership auf allen Ebenen fördern. Wir sollten Führungskräfte und Mitarbeitende darin bestärken, Verantwortung zu übernehmen, wo immer es eine Veranlassung dazu gibt.
  • Das bedeutet auch, dass wir für eine angemessene Fehlerkultur sorgen sollten und eine gewisse Bereitschaft für Experimente und das Eingehen von Risiken haben sollten.
  • Die Geschwindigkeit von Veränderungen ist heute so hoch, dass Unternehmen nicht mehr nur alle paar Jahre mit großen Change-Projekten darauf reagieren können. Vielmehr unterliegen Organisationen dauernd Veränderungsprozessen. Darauf können sie sich mit dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung besser, robuster und flexibler einstellen. So erreichen sie mehr Business-Agilität.
  • Hilfreiche Methoden sind dabei, den Ist-Zustand zu hinterfragen und Retrospektiven durchzuführen. Und der gemeinsame Wille zu Verbesserungen im Sinne der Organisation ist eine wichtige Grundvoraussetzung.

Die Vorteile von partizipativen Veränderungsprozessen

Eine solche Methodik, bei der Veränderungen anders behandelt werden als auf die althergebrachte Art des Change-Managements, bringt viele Vorteile mit sich:

  • Es entstehen fachlich die besseren Lösungen, denn sie werden von den Menschen mit entwickelt, die die eigentliche Arbeit tun.
  • Changes werden schneller umgesetzt, denn die intrinsische Motivation der Beteiligten ist höher. Erfolge verstärken diese Motivation noch weiter.
  • Changes verursachen von vornherein erheblich geringere Akzeptanzprobleme.
  • Kontinuierliche Verbesserung sorgt dafür, dass die Leistungsfähigkeit der Organisation sich drastisch erhöht. Die Unternehmenskultur profitiert ebenfalls.

In allen Organisationen ist viel Wissen in den Köpfen vorhanden. Führung im Sinne des Unternehmens hat die Verantwortung, dieses Wissen zu Tage zu fördern und in die Veränderungsprozesse einfließen zu lassen.

Verlassen Sie sich nicht auf die These, dass man Veränderungsprozesse wie klassische Projekte planen und steuern könne.

Nutzen Sie lieber Methoden aus dem agilen Werkzeugkoffer, denn Veränderungen sind der neue Normalzustand. Das zu bewältigen und Ihre Organisation zukunftssicher aufzustellen, schaffen Sie nur mit den Menschen gemeinsam. Und mit dem Bewusstsein, dass ein Change nur eine gewisse Halbwertszeit hat, bevor die nächste Veränderung nötig wird.

Dafür gibt es keine einfache, allgemein gültige Lösung. Es gibt keine Best Practice, die Sie in Ihrem Unternehmen einfach kopieren können. Aber es gibt hilfreiche Methoden dafür – und ganz sicher eine Lösung, die für Ihre Organisation passt.