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Wie können KMU eine drohende Insolvenz erkennen?

Unternehmen müssen im Falle einer Insolvenz unverzüglich einen Insolvenzantrag stellen. Umso wichtiger ist es, schon im Vorfeld eine drohende Insolvenz zu erkennen. Welche Ansätze es dazu gibt – und wann man sich lieber an einen Fachmann bzw. eine Fachfrau wenden sollte –, erklärt unser Restrukturierungsexperte.

Wie erkennt man als KMU eine drohende Insolvenz?

Die Gesetzesgrundlage zum Insolvenzrecht findet sich in der seit dem 01.01.1999 geltenden Insolvenzordnung. Früher nannte man die Insolvenz Konkurs und das zugrundeliegende Gesetz Konkursordnung.

Wann muss ich Insolvenzantrag stellen?

Ein Unternehmer oder Geschäftsführer unterliegt der gesetzlichen Pflicht, bei einer eingetretenen Insolvenz unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzantrag zu stellen.

Bei dem häufigsten Grund für eine Insolvenz, der Zahlungsunfähigkeit, beträgt die Höchstfrist drei Wochen; bei dem Insolvenzgrund Überschuldung beträgt die Frist sechs Wochen.

Diese Fristen räumt der Gesetzgeber den Unternehmern ein, um den Insolvenzantragsgrund, also die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, noch abzuwenden.

Zur Ausnutzung der Höchstfristen müssen daher erkennbar geeignete Maßnahmen der Geschäftsführung zur Insolvenzabwendung erfolgen, also z.B.

  • Kreditgespräche mit der Bank,
  • Gespräche mit potenziellen Investoren,
  • Verhandlungen über Gläubigerverzichte oder Stundungen,
  • Generierung sonstiger flüssiger Mittel

etc.

Was passiert, wenn ich die Frist für den Insolvenzantrag verpasse?

Nach Ablauf der Fristen befindet sich das Unternehmen in der sogenannten Insolvenzverschleppung, für die als maßgeblicher Zeitpunkt der Eintritt des Insolvenzgrundes gilt und nicht der Zeitpunkt der Feststellung.

Für alle nach dem Eintritt des Grundes für einen Insolvenzantrag geleisteten Zahlungen, die nicht für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend notwendig waren, haftet die Geschäftsführung persönlich.

Insolvenzverwalter stellen hierzu regelmäßig Analysen an, ob die Insolvenz nicht bereits deutlich früher eingetreten ist und mithin der Insolvenzantrag verspätet gestellt wurde. Unternehmer und Geschäftsführer sollten daher zur Vermeidung einer persönlichen Haftung stets die wirtschaftliche Lage des Unternehmens mit Prüfung auf mögliche Insolvenzantragsgründe im Blick behalten oder diese Prüfung einem versierten Restrukturierungsexperten übertragen.

Damit es nicht so weit kommt, sollten die wichtigsten Kennzahlen regelmäßig auf eine drohende Insolvenz hin überprüft werden. Dazu empfehle ich diese vier Ansätze:

1. Überprüfen Sie, ob eine Überschuldung vorliegt

Ein geringes Eigenkapital bzw. eine geringe Eigenkapitalquote kann ein erstes Indiz für eine drohende Insolvenz sein. Insbesondere ein bereits aufgezehrtes Eigenkapital, auch negatives Eigenkapital genannt, ist ein überdeutliches Warnzeichen für eine in meisten Fällen bereits vorliegende Überschuldung. Eine solche sogenannte bilanzielle Überschuldung sollte den Geschäftsleiter dazu veranlassen, weiterführende Prüfungen vorzunehmen.

Seit der Finanzkrise wurde die Überschuldung nämlich an eine sogenannte negative Fortbestehensprognose geknüpft, also an der fehlenden Fähigkeit, das Unternehmen für das laufende und folgende Geschäftsjahr liquiditätsseitig aufrecht erhalten zu können.

Aktuell gilt hierfür ein Prognosezeitraum von zwölf Monaten. Sollte in diesem Zeitraum die Zahlungsfähigkeit gefährdet und ein Fortbestehen nicht zu erwarten sein (negative Fortbestehensprognose), so müssen die Vermögenswerte und Verpflichtungen des Unternehmens zu Liquidationswerten neu bewertet werden, was in den meisten Fällen zu einem negativen Saldo (negatives Reinvermögen) und damit zur insolvenzrechtlichen Überschuldung führt.

Eine positive Fortbestehensprognose liegt dagegen vor, wenn das Unternehmen über einen Zeitraum von aktuell zwölf Monaten durchgehend zahlungsfähig ist, d.h. jederzeit seinen fälligen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Zur Vermeidung eigener Haftung der Geschäftsführung sollte zur Klärung dieser Frage ein insolvenzerfahrener Restrukturierungsberater hinzugezogen werden.

2. Schließen Sie stichtagsbezogene Deckungslücken aus

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen innerhalb von drei Wochen weniger als 90 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten bezahlen kann.

Es handelt sich um eine stichtagsbezogene Betrachtung nur der fälligen Verbindlichkeiten an einem Tag zu den am gleichen Tag verfügbaren liquiden Mitteln (inklusive freier Kontokorrentrahmen).

Die Wahl des Stichtags spielt dabei keine unerhebliche Rolle, da z.B. an den Fälligkeitstagen für Löhne, Sozialabgaben, Umsatz- oder Lohnsteuern zumeist erheblich mehr liquide Mittel zur Deckung dieser fälligen Verbindlichkeiten vorliegen müssen als an anderen Tagen. Auch kann eine teilweise Bedienung fälliger Verbindlichkeiten aufgrund von Basiseffekten erheblichen Einfluss auf die Höhe der berechneten Deckungslücke haben.

Die richtige Erfassung der Daten und deren Bewertung erfordern Spezialisten-Knowhow.

3. Überprüfen Sie die laufende Liquiditätsplanung

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn frühzeitig erkennbar ist, dass eine Zahlungsunfähigkeit in Zukunft eintreten wird, z.B. weil fällig werdende Kredite nicht fristgerecht zurückgezahlt werden können oder zu erwartende Verluste die Liquidität aufzehren werden.

Die Früherkennung einer Insolvenz erfolgt daher insbesondere über die laufende Planung der Liquidität und damit der Überwachung der Zahlungsfähigkeit.

Hierzu empfiehlt sich, analog zum Prognosezeitraum bei der Fortbestehensprognose, die regelmäßige Erstellung und Aktualisierung einer wochenbezogenen Liquiditätsplanung über mindestens zwölf Monate.

Zur Vermeidung eines fehlerhaften Vorgehens und damit einer möglichen persönlichen Haftung der Geschäftsführung empfiehlt sich auch hierfür die Beauftragung eines versierten externen Restrukturierungsberaters.  

4. Achten Sie auf Krisensymptome

Grundsätzlich unterscheidet man eine Unternehmenskrise in sechs verschiedene Krisenphasen:

  1. Stakeholderkrise,
  2. Strategiekrise,
  3. Produkt- und Absatzkrise,
  4. Erfolgskrise,
  5. Liquiditätskrise und
  6. Insolvenzreife.

Es werden nicht immer alle Krisenphasen durchlaufen oder zumindest nicht immer als solche im Verlauf wahrgenommen.

Die Früherkennung von Risiken ist z.B. durch regelmäßige Erhebung und Überwachung von Kennzahlen möglich:

  • Rückläufiger Umsatz, geringer werdende Margen und Roherträge, steigende Kostenquoten im Verhältnis zum Umsatz, etc. sind bereits Anzeichen einer Erfolgskrise.
  • Rückläufige Absatzzahlen, Wegbrechen wichtiger Kunden oder Teilmärkte oder eine fehlende Produkt-Pipeline sind Indizien für eine Produkt- und Absatzkrise.
  • Eine Strategiekrise äußert sich z.B. in einer fehlenden oder falschen Neuausrichtung des Unternehmens bei sich ändernden Märkten und Umfeldbedingungen oder neu in den Markt eintretenden Wettbewerbern.

Und was, wenn tatsächlich eine Sanierung nötig ist?

Die Art der Sanierung des Unternehmens hängt in erster Linie von der Krisenphase ab, in der es sich befindet. Erfahrungsgemäß werden Unternehmenskrisen erst ab der Erfolgskrise, oft auch erst ab der Liquiditätskrise vom Geschäftsführer als solche wahrgenommen.

Die einsetzbaren Sanierungsinstrumente hängen zudem vom Vorliegen oder Nichtvorliegen von Insolvenzgründen ab.

Welches Instrument im konkreten Fall möglich und sinnvoll ist, ist zudem auch durch die Krisenursachen determiniert, die es zu beheben gilt.

Aufgrund der Komplexität und Eintrittsvoraussetzungen kann eine unabhängige Einschätzung dazu nur von einem erfahrenen Fachmann vorgenommen werden, der auch die Wirkungen und Effekte der verschiedenen Verfahren angemessen beurteilen kann.

Wie kann man das Unternehmen auch in einer Insolvenz sanieren?

Sofern es bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes auch einer operativen Restrukturierung bedarf (also z.B. Personalabbau, Standortschließung, Beendigung verlustreicher Verträge, Beendigung von Miet- und Leasingverhältnissen etc.), sind das Eigenverwaltungsverfahren und das Schutzschirmverfahren als bewährte Optionen zu prüfen.

Beide Verfahren sind mit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens verknüpft. Für das Schutzschirmverfahren sind die Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgründe normiert, für das Eigenverwaltungsverfahren zusätzlich noch die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

In beiden Verfahrensarten behält die Geschäftsführung weiterhin die Verfügungsmacht über das Unternehmen und statt eines Insolvenzverwalters wird seitens des Gerichtes lediglich ein sogenannter Sachwalter zur Aufsicht bestellt.

Wie lange dauert ein Eigenverwaltungsverfahren oder ein Schutzschirmverfahren?

Sowohl das Eigenverwaltungsverfahren als auch das Schutzschirmverfahren werden idealtypisch mit einem Insolvenzplan am Ende des Insolvenzverfahrens abgeschlossen.

Hierin bietet das Unternehmen als Schuldner den Gläubigern eine Quote auf ihre Forderung in Form eines Vergleiches an.

Die Verfahrensdauern liegen bei beiden Verfahren im Durchschnitt zwischen sechs und neun Monaten. In sehr einfach gelagerten Fällen kann die Dauer auch nur vier bis fünf Monate betragen, bei schwierigen Gläubigerverhandlungen aber auch zwölf Monate und mehr.