Wie lässt sich ein industrielles Planungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich umsetzen?

Bis zum Abschluss eines Planungs- und Genehmigungsverfahren ist es ein weiter Weg. Dabei stellt nicht nur die verwaltungstechnische und politische Dimension eine besondere Herausforderung dar.

Wie setzt man ein Planungs- und Genehmigungsverfahren für industrielle Großprojekte erfolgreich um?

Erfolgreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren sind Meilensteine beim Bau von Industrieanlagen oder der Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen.

Eine entsprechende Planung und Leitung der Verfahren sind daher unerlässlich, zumal sich solche Großprojekte nie ohne politische bzw. öffentliche Wahrnehmung entwickeln lassen.

Ist dagegen die Projektleitung der Komplexität des Vorhabens nicht gewachsen, oder fehlt es an nötigen Ressourcen oder einer dem Projektstand angemessenen Kommunikationsstrategie, drohen Verzögerungen, schlimmstenfalls sich über Jahre hinziehende Gerichtsverfahren mit allen Finanz- und Reputationsschäden, die damit einhergehen.

Deshalb empfehle ich meinen Auftraggebern stets, folgenden Punkte besonders zu beachten:

1. Machen Sie Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Chefsache

Der erste Schritt auf dem Weg zum zum erfolgreichen Abschluss eines Planungs- und Genehmigungsverfahrens ist es, das Verfahren zur Chefsache zu machen.

Oft werden nämlich schon weit im Vorfeld solcher Vorhaben die falschen strategischen Weichenstellungen vorgenommen. Die Folgen tauchen dann als „schwarzer Schwan“ unvermittelt auf und bringen Projekte (die ja oft mit erheblichen Investitionen verbunden sind!) in Schieflage.

Deshalb kommt es darauf an, dass die Geschäftsleitung oder – in großen Strukturen – die Standort- bzw. Werksleitung nicht nur das Wie und Warum des Planungs- und Genehmigungsverfahren versteht.

Die Geschäftsleitung muss das Verfahren vielmehr als zentrales Projekt zur Verwirklichung der Unternehmensziele begreifen und somit voll und ganz hinter dem Verfahren stehen und es engmaschig verfolgen.

Nicht zielführend ist es dagegen, Projekte in der Linie oder in Fachabteilungsstrukturen zu „verstecken“. Die Geschäfts- bzw. Standortleitung muss sich als Sponsor für das Projekt verstehen – und positionieren.

2. Wählen Sie die Mitglieder der Projektleitung sorgfältig aus

Industrielle Planungs- und Genehmigungsverfahren sind komplex. Es gibt

  1. fachliche und rechtliche, aber auch eine Vielzahl von
  2. technischen,
  3. betriebswirtschaftlichen,
  4. politischen und, vor allem bei einer Öffentlichkeitsbeteiligung,
  5. kommunikativen Aspekten

zu berücksichtigen.

Die Projektleitung muss von ihrer Person und ihrer Expertise her in der Lage sein, all diese Aspekte bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, aber auch imstande sein, die Umsetzung von Entscheidungen anzustoßen und dieselbe zu überwachen.

Bei Projekten dieser Art ist dürfte deshalb die Auswahl der Teammitglieder der Projektleitung und die richtige Zusammenstellung der Projektleitung wichtiger sein als bei anderen Projekten: Projektleitung bei Großprojekten ist nicht Fach-, sondern General Management auf höchstem Niveau!

3. Stellen Sie die erforderlichen internen und externen Ressourcen bereit

Die Umsetzung von Großprojekten kann nur gelingen, wenn die erforderlichen internen und externen Ressourcen bereitgestellt werden.

Interne Ressourcen zur Verfügung stellen

Ich beobachte immer wieder, dass zwischen der intern meist klar kommunizierten operativen bzw. strategischen Bedeutung eines bestimmten industriellen Projekts und den intern zur Verfügung gestellten Ressourcen ein erheblicher Unterschied liegt.

Sogar Projektleiter haben noch viel zu oft mehrere Hüte auf, oder sind noch mit weiteren Linienaufgaben „neben“ dem eigentlichen Projekt betraut.

Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Absicherung des Projekterfolgs ist es dagegen, die Projektleitung und die für die zentralen Arbeitspakete Verantwortlichen entweder wirklich zu 100 Prozent für das Planungs- und Genehmigungsverfahren freizustellen oder – noch besser – personell komplett in eine neue Projektorganisation zu überführen.

Eine weitere Maßnahme ist es, die Projektleitung direkt an die Geschäfts- bzw. Standortleitung berichten zu lassen. Denn damit sendet die Firmenleitung die klare Botschaft aus:

Für das wichtigste Projekt nur die besten Leute!

Was sicherstellt, dass die Projektleitung von Anfang an die notwendige Visibilität und die notwendigen Freiräume hat.

Um das durchzusetzen, ist Führung, Standfestigkeit und Konfliktfähigkeit gefragt, aber für den Erfolg eines Planungs- und Genehmigungsverfahrens ist das gerade zu Beginn elementar.

Externe Ressourcen sichern

Genauso zentral für ein erfolgreiches Verfahren ist für ausreichende externe Ressourcen zu sorgen.

Denn der Regel sind nicht alle Kompetenzen inhouse vorhanden, die zur Bewältigung der vielen fachlichen Facetten eines Genehmigungsverfahren nötig sind.

Sich diese frühzeitig zu sichern, dauerhaft an das Projekt zu binden und als gleichberechtigter Teil des Teams zu verstehen und einzubinden, trägt erheblich zum Projekterfolg bei, reduziert aber auch das Risiko, interne Projektbeteiligte zu überlasten oder gar wichtige fachliche Themen zu übersehen.

Allerdings stellt eine breite fachliche Aufstellung gleich zu Beginn eines Planungs- und Genehmigungsprojekts eine große Herausforderung dar, nicht zuletzt, weil der damit verbundene Mitteleinsatz erheblich sein kann. Aber diese Investition zahlt sich spätestens dann aus, wenn externe Ressourcen im Bedarfsfall komplett im Bilde und damit schnell handlungsfähig sind.

4. Gehen Sie von einer konservativen Schätzung der Zeitbedarfe aus

Es geschieht in der Praxis leider viel zu oft, dass Projekte in Zeitverzug geraten. Wenn dann extern damit argumentiert wird, die Genehmigung werde jetzt benötigt, weil man im Zeitplan hinterherhinkt, ist es meist zu spät.

Ursache dieser misslichen Situation ist oft ein Planungsfehler zu Beginn des Projektes: Interne Zeitbedarfe, Behördenabstimmungen und auch die Dauer von Genehmigungsverfahren selbst werden zu oft viel zu optimistisch eingeschätzt.

Um eine falsche Schätzung der Zeitbedarfe zu vermeiden, bieten sich folgende Strategien an:

  1. In der Regel kommt man nicht umhin, mit erheblichen Sicherheitspuffern gegenüber einem „erwünschten“ optimalen Zeitplan zu kalkulieren.
  2. Es ist zudem hilfreich, sich an Referenzprojekten und deren tatsächlichen Dauer zu orientieren. In den allermeisten Fällen dürften vergleichbare Verfahren zur Genehmigung von Anlagen und Projekten schon realisiert worden sein.
  3. Sinnvoll ist es schließlich, Zeitbedarfe im Vorfeld mit den Behörden zu erörtern, auch weil man dadurch seinen Ansprechpartner für das eigene Anliegen sensibilisiert. Das kann, da Genehmigungen immer auch eine politische Dimension haben, zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen: Je größer das politische Interesse an einer Genehmigung ist, desto mehr wird die Behörde für die Umsetzung tun.

5. Führen Sie regelmäßig Teamworkshops durch

Kein Projekt läuft ab dem ersten Tag der Umsetzung komplett wie geplant. Um im Projektablauf hierauf rechtzeitig, flexibel und kreativ reagieren zu können, braucht es neben „formellen“ Berichtsstrukturen auch weitere Plattformen der internen Kommunikation.

Dazu bietet sich die regelmäßige Durchführung von Workshops für die Teams an, die im Unternehmen an dem Projekt beteiligt sind, aber auch für weitere mit dem Verfahren befasste Personen.

Der Erfolg solcher Workshops steht und fällt mit der Konzentration der Teilnehmer auf die jeweiligen Themen. Um die Teilnehmer aus dem Arbeitsalltag herauszunehmen, sollten die Workshops daher

  • nicht am Arbeitsplatz stattfinden und
  • ganztägig angelegt sein.

Die Workshops müssen zudem so angelegt sein, dass eine offene Diskussion auf Augenhöhe möglich ist. Deshalb sollten sie

  • von einem externen Berater organisiert, veranstaltet und moderiert werden.

Gelingt es, die Workshop-Resultate zu sichern und in den Umsetzungsplan einzuarbeiten, kann das Projekt flexibel auf Veränderungen und Abweichungen vom Plan zu reagieren.

Hinzu kommt: Der Effekt solcher Veranstaltungen auf Stimmung und Kultur im Team ist enorm!

6. Kümmern Sie sich um eine wertschätzende und einstimmige Behördenkommunikation

Eine gelungene Behördenkommunikation ist die Königsdisziplin für die erfolgreiche Umsetzung großer Vorhaben.

Hierbei ist nicht nur die wertschätzende Kommunikation mit den Behörden zu beachten, sondern auch die Perspektive, aus der heraus kommuniziert wird. Keine Behörde schätzt es, einfach vorgesetzt zu bekommen, was ein Projektträger gerne hätte. Aber fast jede Behörde schätzt es, wenn sich ein Vorhabenträger frühzeitig für die Wege interessiert, auf denen die Behörde unter Berücksichtigung der vielen umwelt- und planungsrechtlichen Vorgaben zu einer Genehmigung des Vorhabens kommen könnte.

Entscheidend ist hier beiderseitiges Vertrauen, um dessen Aufbau sich die Projektleitung von Anfang an kümmern muss. Dazu braucht es:

  1. Zeit.
  2. Eine einheitliche Kommunikation der Zielvorstellungen. Behördenkommunikation muss daus einer Hand erfolgen. Unklare oder gar widersprüchliche Signale senken die Bereitschaft einer Behörde, die Projektleitung und damit das Projekt insgesamt ernst zu nehmen.
  3. Regelmäßige Fachgespräche mit den Experten der Genehmigungsbehörden, wo die fachlichen Arbeitspakete eines Projekts gespiegelt sind und die entsprechenden Gutachten erstellt werden. Solche Gespräche vermitteln Kompetenz und nicht zuletzt auch ein ernsthaftes Interesse an der Durchführung des Projekts.

Beiderseitiges Vertrauen wird letzten Endes die Zusammenarbeit erleichtern und eine Beschleunigung des Verfahrens begünstigen.

7. Entwickeln Sie eine differenzierte Lobbystrategie

Ob Ausbau von Infrastruktur oder die Errichtung von Industrieanlagen: Ein Großvorhaben oder Großprojekt ohne politische und öffentliche Wahrnehmung gibt es nicht. Deshalb muss von Anfang an eine differenzierte Kommunikations- und Lobbystrategie entwickelt, personell untersetzt und umgesetzt werden.

Hierfür gehören eigene Strukturen und personelle Ressourcen in das Projekt. Politisch sensible Kommunikation von Zentralabteilungen- oder externen Agenturen quasi „nebenher“ leisten zu lassen, führt nicht zum Erfolg, zumal bei Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung.

Bei der Kommunikation mit externen Stakeholdern gibt es zwei Schlüsselfaktoren:

  1. Die Stakeholder zu identifizieren und gezielt anzusprechen, die im direkten Umfeld und der erweiterten Region als Multiplikatoren fungieren.
  2. Differenziert zu kommunizieren: eigene Positionen nicht mit der Gießkanne oder nur schriftlich per Pressemitteilungen etc. verlauten zu lassen, sondern mit eigens dafür abgestellten Mitarbeitern vor Ort authentisch zu vertreten, z.B. mit einem Informationsbüro, der Teilnahme an Bürgerveranstaltungen oder in eigenen Veranstaltungsreihen.

Ergänzt werden sollte diese direkte Kommunikation durch klassische Elemente der Lobbyarbeit mittels eigener Strukturen und Verbände oder auch über externe Dienstleister.

Eine solche Kommunikationsstrategie wird nur gelingen, wenn die Projektleitung diesen Ressourcen auch jederzeit ein klares und ehrliches Bild über den Projektstand und die kommunikative Lage vermittelt. Ein regelmäßiger Austausch z.B. in einer „Task Force Kommunikation“ ist hierbei förderlich.

8. Nehmen Sie das finanzielle und Risikocontrolling ernst

In vielen großen Planungs- und Genehmigungsprojekten läuft das finanzielle Controlling der tatsächlichen Kostenentwicklung hinterher. Sind die Kosten dann einmal aus dem Ruder gelaufen, wird oft hektisch von einem Budget ins andere verschoben, was Probleme oft noch potenziert.

Nachhaltiger und erfolgsversprechender ist es, von Beginn an betriebswirtschaftliche und Controlling-Expertise erstens im Projektteam anzusiedeln und dieser zweitens auch die Verantwortung zu übertragen, die Abstimmung z.B. mit dem Zentralcontrolling zu organisieren.

In der für den Mittelabfluss entscheidenden Phase der investiven Projektumsetzung muss zudem ein professionelles Claim Management hinzutreten. Nicht selten ist die entsprechende Expertise im Projektteam nicht oder nur in Ansätzen vorhanden, was im Ernstfall erhebliche finanzielle Schäden nach sich ziehen kann. Auch solche Lücken lassen sich mit externen Dienstleistern gut füllen.

Beim Risikocontrolling gilt das Gleiche. Hier muss alles gedacht und gesagt werden können, was denkbar ist, immer unter der Devise:

Was schief gehen kann, geht auch schief.

Dabei sollte man als Vorhabenträger umso mehr Vorsicht walten lassen, je größer das Risiko für Reputationsschäden ist, etwa bei Großprojekten wie dem Ausbau von Verkehrswegen, dem Ausbau von Stromtrassen oder ähnlichen Infrastruktur-Projekten dieser Größenordnung.

Nur wenn es hier keine Denkverbote gibt, können die Risiken vom Sachverhalt her ehrlich erfasst und bewertet werden und entsprechende Gegenmaßnahmen entwickelt werden.