Wie finde ich einen internationalen Medtech-Vertriebspartner?
Wer Medizinprodukte im Ausland vertreiben will, braucht einen leistungsstarken Partner vor Ort. Die Außenhandelskammern sind eine gute Möglichkeit, solche Partner zu finden – aber nicht immer die beste.
Wie kann man einen internationalen Medtech-Vertriebspartner finden?
Der Medtech-Markt ist höchst dynamisch: Akteure sind sehr innovativ und konkurrieren mit Optimierungen und neuen Entwicklung. Das belebt das Geschäft und zieht neue Marktteilnehmer an, die den Wettbewerb um noch bessere Produkte weiter anheizen.
Kurzum: Der Markt für Health Care- und Medizintechnik-Produkte wächst rasant.
Für Anbieter ist daher Wachstum nicht optional, sondern Pflicht. Denn wer in einem wachsenden Markt stillsteht, der wird überholt und verliert Marktanteile und Umsatz.
Verschiedene Ansätze und Strategien können Wachstum generieren:
- Anorganisch: durch den Zukauf oder die Übernahme von horizontalen oder vertikalen Diversifizierungszielen
- Organisch: neue Märkte, Produkte, Kunden.
Was wäre optimal?
Wenn es die Ressourcen gestatten: Idealerweise alle diese Ansätze.
In diesem Beitrag möchte ich mich aber auf das organische Wachstum konzentrieren: durch die Erschließung eines Auslandsmarktes. Entscheidend ist dafür die Optimierung aller Vertriebsaktivitäten. Bei Medizinprodukten heißt das vor allem, dass man mit einem starken Vertriebspartner zusammenarbeiten sollte, der bereits im Zielmarkt operiert.
Wie kann man einen geeigneten Partner finden?
Ich würde folgendermaßen vorgehen:
1. Entwickeln Sie eine passende Vertriebsstrategie
Das Medtech-Business ist in aller Regel B2B-Geschäft. Das Kernproblem der Branche ist dabei folgendes Dilemma:
Einerseits sind viele Produkte ausschreibungspflichtig und zulassungspflichtig.
Doch um Ausschreibungen zu gewinnen oder Zulassungen zu bekommen, braucht man eine Niederlassung vor Ort – was sich kaum ein Hersteller leisten kann, von den großen multinationalen Konzernen einmal abgesehen, und selbst die prüfen oft, ob man alles selbst machen muss oder kostengünstiger und effizienter über Partner arbeiten kann.
Die Lösung besteht in der Zusammenarbeit mit einem geeigneten Vertriebspartner: Gerade im internationalen Geschäft ist eine solche Zusammenarbeit für die meisten Unternehmen fast zwingend notwendig.
Der klassische Distributor
Eine Option ist dabei der klassische Distributor. Bei dieser Variante beliefern Sie einen Distributor, der im Zielmarkt operieren kann, der wiederum Ihre Produkte weitervertreibt.
Der strategische Partner
Eine andere Option ist der strategische Partner, der im Unterschied zum klassischen Distributor gegenüber dem Kunden als One-Stop-Shop auftritt.
Wenn Ihr Unternehmen z.B. Ausstattung / Geräte / Komponenten für Operationssäle herstellt, dann wäre ein möglicher strategischer Partner jemand, der Krankenhäuser mit allem beliefert, was diese brauchen.
Anstatt sich mit 63 verschiedenen Herstellern für OP-Saalkomponenten zu befassen, wird sich ein Krankenhaus lieber mit einem einzigen System-Integrator oder Schlüssellieferanten zu befassen, den es bittet, die anderen Ausstattungsteile mit anzubieten.
Das macht für alle Beteiligten Sinn.
Hybridstrategie
Meistens wir es auf eine Hybridform hinauslaufen, wo man sowohl strategische Partner als auch Distributoren gewinnen möchte. Auch andere Influencer wie beratende Ingenieurbüros oder Generalunternehmer können je nachdem – besonders im Projektgeschäft – wichtige Meinungsführer und daher wertvolle Partner sein.
2. Identifizieren Sie mögliche Vertriebspartner
Ein Vertriebspartner muss je nach Branche gewisse Merkmale und Stärken mitbringen. Dazu zählen
- eine adäquate Infrastruktur, etwa Lagerhaltung bzw. Lagerkapazitäten (in Notfällen muss sofort geliefert
- werden können),
- ein Showroom,
- eine Vertriebs- und Serviceorganisation, die flächendeckend arbeitet,
- ein After-Sales-Service, der 24/7 erreichbar ist, schnell reagiert und technisch kompetent ist, sowie
- die richtigen Kontakte im Zielmarkt.
Wie findet man solche Partner?
Auf eigene Faust recherchieren
Die erste Option: Man betreibt eigene Recherchen, was durch das Internet heutzutage begünstigt wird. Digitalisierung machts möglich.
Allerdings stößt man schnell an Grenzen, wenn es um Länder geht, in denen Englisch nur eine untergeordnete Rolle spielt und Webseiten nur in der Landesprache verfügbar sind. Das kann schon eine Herausforderung sein. Interkulturelle Kompetenz ist da hilfreich.
Auch die richtigen Suchbegriffe zu kennen, kann eine weitere Herausforderung sein, denn bei uns übliche Begriffe sind nicht automatisch auch anderswo üblich.
Viele Kulturkreise gestalten zudem Webseiten anders als bei uns, und dementsprechend mag man subjektiv eine solche Webseite als dilettantisch wahrnehmen und die Firma entsprechend einstufen – was überhaupt nicht der Realität entsprechen muss! Eine Kostprobe: die für den deutschen Geschmack quietschbunten Webseiten in Japan.
Mit den Außenhandelskammern zusammenarbeiten
Der nächste, beste Weg, den ich nur empfehlen kann, geht über die deutschen Außenhandelskammern. Die sind sehr kompetent und bieten gegen eine oft mehr als faire Gebühr eine ganze Reihe von Dienstleistungen wie Suche, Prüfung und Anbahnung im Zielmarkt an.
Der große Vorteil ist, dass die Handelskammer im Land bekannt ist und ein gutes Renommee besitzt, sodass man im Gegensatz zu individuellen Ansprachen fast immer eine Rückmeldung vom Zielunternehmen bekommt.
Außerdem kennen die Experten der Außenhandelskammer den Markt – teilweise je nach Branche auch die Marktteilnehmer – und können fundiert, schnell und sicher mögliche Partner identifizieren bzw. ungeeignete oder betrügerische ausschließen und ggf. vor Ort weitere Hilfe wie Übersetzungen, rechtliche Prüfungen usw. anbieten.
Als in Deutschland oder Österreich ansässiges Unternehmen ist man automatisch Pflichtmitglied bei der IHK und hat so Zugang zu deren Dienstleistungen. Aber auch die Kammern in Ländern, in denen man nicht Mitglied ist, stehen gegen eine meist sehr faire Gebühr für Hilfestellung offen und sie verfügen in aller Regel über noch mehr Marktkenntnisse als die deutschen Kammern im Gastland.
Vom persönlichen Netzwerk eines Consultants profitieren
Die meisten Interim Manager haben naturgemäß ein gewaltiges Netzwerk, auf das sie zurückgreifen können, weil sie i.d.R. auf bestimmte Branchen spezialisiert und darin lange Jahre tätig sind.
Ich selbst kann oft umgehend mit Kontakten aus meinem Netzwerk helfen, wenn es um mögliche zukünftige Vertriebspartner für Medtech-Themen geht. Dienstleistung besteht ja nicht nur aus reinem Tun, sondern außerdem aus Know-how und – den richtigen Kontakten.
Der Weg der Kontaktaufnahme und zur Zusammenarbeit hängt stark vom jeweiligen Kulturkreis ab. Grundsätzlich empfiehlt sich eine Top-Down Strategie, denn ohne den Geschäftsführer geht nichts.
In westlichen Kulturen kann ein Anruf zum Ziel führen, anderswo ein Brief oder ein Mail an die Geschäftsführung, aber z.B. in Nahost oder Afrika ist fast immer der persönliche Weg und das persönliche Gespräch der einzig zielführende Approach.
Das mussten viele Hersteller während der Pandemie lernen: Nur weil bei uns persönliche Kontakte und Geschäftsreisen durch MS Teams-Meetings ersetzt wurden, hieß das noch lange nicht, dass die Geschäftsführungen in anderen Kulturen das ebenso sahen.
Risikoeinschätzung und Erwartungen sind halt unterschiedlich.
Ohne regelmäßige persönliche Besuche geht im Nahen Osten, in Afrika – aber auch in der Schweiz – wenig. Auch während einer Pandemie.
Zu verstehen, welche Kunden wo wie angesprochen werden wollen, ist eine der wichtigsten Kompetenzen im internationalen Business Development.
Grundsätzlich gilt:
Je schwieriger der Zielmarkt, desto wichtiger das professionelle Netzwerk.
In Russland oder China sowie in vielen Ländern des Nahen Ostens oder Afrikas kann man nicht einfach einreisen und eine Kundentour unternehmen. Man braucht bereits für den Visumantrag die Einladung eines lokalen Unternehmens.
Ohne das Netzwerk einer Kammer oder eines Interim Executives wird es sehr schwierig.
3. Festigen sie die Beziehung zu Ihren Vertriebspartnern
Ihr idealer Vertriebspartner kann also in Ihrem Zielmarkt operieren, hat eine entsprechende Infrastruktur und Service-Abteilung und er hat die richtigen Kontakte.
Die schlechte Nachricht ist nun: Von diesen „guten“ Distributoren gibt es erfahrungsgemäß nicht viele.
Selbst nach der Gauß`schen Normalverteilung sind lediglich ein Fünftel der vorhandenen möglichen Partner im perfekten Performance-Bereich angesiedelt, je nach Land sind es noch weniger, was besonders für Schwellen- und Drittweltmärkte zutrifft, wo es nicht viele Unternehmen gibt, die wirtschaftlich in der Lage sind, diese Investitionen zu tätigen und diese Ressource permanent vorzuhalten.
Aus diesem Grund ist in fast allen Branchen ein heißer Kampf unter den Herstellern um die Gunst der Top-Importeure entstanden.
Dies wiederum hat dazu geführt, dass die Suche nach einem geeigneten Distributionspartner zu einem Käufermarkt wurde, wo sich die Distributoren aussuchen können, wen und was sie zukünftig in ihrem Portfolio haben wollen.
Und selbst ein erfolgreicher Vertragsabschluss mit einem Partner ist noch lange keine Garantie, denn ob und wie stark sich der Vertriebspartner in Zukunft tatsächlich für den Hersteller einsetzen wird, hängt auch wieder von vielen Faktoren ab.
Alle Verkäufer dieser Erde – also auch diejenigen, die bei Ihrem Distributor in Takatukaland angestellt sind – verkaufen das, was am einfachsten ist. Und am einfachsten ist, was am billigsten oder am einfachsten zu erklären ist.
Gute Beziehungspflege nicht nur zu den Geschäftsführern der Partnerfirmen, sondern auch und gerade zu den Vertriebsmitarbeitern ist hier entscheidend: Ein Top-Onboarding Programm, intensive Partnerpflege und Incentives für die Verkäufer des Partners sind ein Muss und wehe ein anderer Lieferant macht das besser als sie, dann ist die harterworbene Gunst schnell wieder verloren!
4. Erweitern Sie Ihr Netzwerk
Einmal im Land ist die eigene Fähigkeit zu netzwerken noch wichtiger, denn um effizient arbeiten zu können, ist man oft auf Empfehlungen oder Vorstellungen angewiesen.
Ausgangspunkt können die bereits existierenden Kontakte Ihres Vertriebspartners sein.
Aber auch die Außenhandelskammern spielen hier ihre Stärke aus. Oft veranstalten die Kammern nämlich auch spezielle Branchenevents wie Einkaufsreisen, Road-Shows, Beschaffungskongresse oder ähnliches. Man kann Termine bei wichtigen Einkäufern und anderen Entscheidern bekommen, die man sonst niemals bekommen würde.
Meiner Erfahrung nach sollte man deshalb nicht nur sporadisch mit den Kammern zusammenarbeiten, sondern kontinuierlich und über Jahre hinweg.
5. Stellen Sie Ihr Marketing auf strategisches Marketing um
Im Gegensatz zu anderen Industrien ist die Health Care-Industrie glücklicherweise nicht sehr zyklisch, die Konjunkturkurve drückt sich eher in langwelligen Trends aus, was auch mit der langfristigen Entwicklung von Innovationen in diesem Segment zu tun hat.
Das Gute daran ist: Es erleichtert langfristige Planungen und strategisches Vorgehen.
Auf schnelle Gewinne sollte man bei Medizinprodukten nicht aus sein – schon gar nicht beim internationalen Business Development. Hier sind langer Atem, kluge Vorausschau und Zusammenarbeit mit dem strategischen Vertriebspartner angesagt.
Das Marketing muss sich diesen Gegebenheiten anpassen.
Es geht zunächst darum, Bewusstsein für die Marke bzw. das Produkt zu schaffen. Da man medizinische Großgeräte schlecht zum Kunden bringen kann, ist die Branche sehr messeaffin. Ob Medica oder Arab Health, ob lokale, spezialisierte Kongresse oder großregionale Showrooms: Das Marketing muss es schaffen, potenzielle Kunden und Produkt zunächst überhaupt einmal zusammenzubringen.
Die Überzeugungsarbeit, Beratung und Verkauf folgen später.
Das kostet Zeit und Geld und man ist gut beraten, sich vorher genau zu überlegen, was man erreichen möchte und was man bereit ist zu investieren.
Fazit: Ein Netzwerk ist nicht alles. Aber…
Mit dem Eintritt in einen Auslandsmarkt können Hersteller von Medizinprodukten ihre Marktanteile ausbauen, aber das setzt für gewöhnlich die Zusammenarbeit mit einem starken Vertriebspartner voraus, der im Zielmarkt bereits aktiv ist.
Bei der Kontaktaufnahme zu möglichen Partnern kann ein Vermittler hilfreich sein, der den Zielmarkt kennt und das Vertrauen wichtiger Akteure im Markt genießt. Die Zusammenarbeit mit einem Vermittler kann je nach Markt und Kulturkreis sogar unumgänglich sein.
Sprechen Sie mich an! Gerne unterstütze ich Sie bei Ihren Vorhaben.