Die Gesetzesgrundlage zum Insolvenzrecht bildet die seit Anfang 1999 geltende Insolvenzordnung. Demnach unterliegt ein Unternehmer oder Geschäftsführer der gesetzlichen Pflicht, bei einer eingetretenen Insolvenz unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, einen Insolvenzantrag zu stellen. Beim häufigsten Grund für eine Insolvenz, der Zahlungsunfähigkeit, beträgt die Höchstfrist drei Wochen. Ist eine Überschuldung der Insolvenzgrund, beläuft sich die Frist auf sechs Wochen.
Zur Ausnutzung der Höchstfristen müssen daher erkennbar geeignete Maßnahmen der Geschäftsführung zur Insolvenzabwendung erfolgen, wie etwa
- Kreditgespräche mit der Bank,
- Gespräche mit potenziellen Investoren,
- Verhandlungen über Gläubigerverzichte oder Stundungen,
- Generierung sonstiger flüssiger Mittel
- und dergleichen.
Was passiert, wenn KMU die Frist für den Insolvenzantrag verpassen?
Hat das Unternehmen versäumt, den Insolvenzabtrag innerhalb der Frist zu stellen, befindet es sich in der sogenannten Insolvenzverschleppung, für die als maßgeblicher Zeitpunkt der Eintritt des Insolvenzgrunds gilt – und nicht der Zeitpunkt der Feststellung. Für alle nach dem Eintritt des Grunds für einen Insolvenzantrag geleisteten Zahlungen, die nicht für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend notwendig waren, haftet die Geschäftsführung persönlich. Insolvenzverwalter stellen hierzu regelmäßig Analysen an, ob die Insolvenz nicht bereits deutlich früher eingetreten ist und der Insolvenzantrag verspätet gestellt wurde. Unternehmer und Geschäftsführer sollten daher zur Vermeidung einer persönlichen Haftung stets die wirtschaftliche Lage des Unternehmens mit Prüfung auf mögliche Insolvenzantragsgründe im Blick behalten oder diese Prüfung einem versierten Restrukturierungsexperten übertragen.
Damit es nicht so weit kommt, gilt es, die wichtigsten Kennzahlen regelmäßig auf eine drohende Insolvenz hin zu überprüfen. Hierfür eignen sich die folgenden vier Maßnahmen:
1. Eine etwaige Überschuldung aufspüren.
Ein geringes Eigenkapital und eine geringe Eigenkapitalquote können ein erstes Indiz für eine drohende Insolvenz sein. Insbesondere bereits aufgezehrtes Eigenkapital, auch negatives Eigenkapital genannt, ist ein überdeutliches Warnzeichen für eine in den meisten Fällen bereits vorliegende Überschuldung. Eine solche bilanzielle Überschuldung sollte die Geschäftsleitung dazu veranlassen, weiterführende Prüfungen vorzunehmen.
Seit der Finanzkrise ist die Überschuldung nämlich an eine sogenannte negative Fortbestehensprognose geknüpft: die fehlende Fähigkeit, das Unternehmen für das laufende und folgende Geschäftsjahr liquiditätsseitig aufrecht erhalten zu können. Aktuell gilt hierfür ein Prognosezeitraum von zwölf Monaten. Sollte in diesem Zeitraum die Zahlungsfähigkeit gefährdet und ein Fortbestehen nicht zu erwarten sein (negative Fortbestehensprognose), sind die Vermögenswerte und Verpflichtungen des Unternehmens zu Liquidationswerten neu zu bewerten – was in den meisten Fällen zu einem negativen Saldo (negatives Reinvermögen) und damit zur insolvenzrechtlichen Überschuldung führt.
Eine positive Fortbestehensprognose liegt dagegen vor, wenn das Unternehmen über einen Zeitraum von aktuell zwölf Monaten durchgehend zahlungsfähig ist und seinen fälligen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Zur Vermeidung eigener Haftung der Geschäftsführung ist es ratsam, zur Klärung dieser Frage einen insolvenzerfahrenen Restrukturierungsberater hinzuzuziehen.
2. Stichtagsbezogene Deckungslücken ausschließen.
Eine Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen innerhalb von drei Wochen weniger als 90 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten bezahlen kann. Es handelt sich dabei um eine stichtagsbezogene Betrachtung der fälligen Verbindlichkeiten an einem Tag zu den am selben Tag verfügbaren liquiden Mitteln (inklusive freier Kontokorrentrahmen). Die Wahl des Stichtags spielt dabei keine unerhebliche Rolle, da zum Beispiel an den Fälligkeitstagen für Löhne, Sozialabgaben, Umsatz- und Lohnsteuern zumeist erheblich mehr liquide Mittel zur Deckung dieser fälligen Verbindlichkeiten vorliegen müssen als an anderen Tagen. Auch kann eine teilweise Bedienung fälliger Verbindlichkeiten aufgrund von Basiseffekten erheblichen Einfluss auf die Höhe der berechneten Deckungslücke haben. Die korrekte Erfassung der Daten und deren Bewertung erfordern demnach Spezialisten-Knowhow.
3. Die laufende Liquiditätsplanung überprüfen.
Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn frühzeitig erkennbar ist, dass eine Zahlungsunfähigkeit in Zukunft eintreten wird – etwa, weil fällige Kredite nicht fristgerecht zurückgezahlt werden können oder zu erwartende Verluste die Liquidität aufzehren drohen. Die Früherkennung einer Insolvenz erfolgt daher insbesondere über die laufende Planung der Liquidität und die Überwachung der Zahlungsfähigkeit. Hier empfiehlt sich, analog zum Prognosezeitraum bei der Fortbestehensprognose, die wochenbezogene Liquiditätsplanung über mindestens zwölf Monate hinweg, regelmäßig zu erstellen und zu aktualisieren. Um dabei ein fehlerhaftes Vorgehen – und damit eine mögliche persönliche Haftung der Geschäftsführung – zu vermeiden, empfiehlt sich auch hierfür die Beauftragung eines versierten externen Restrukturierungsberaters.
4. Auf Krisensymptome achten.
Grundsätzlich unterteilt man eine Unternehmenskrise in sechs verschiedene Phasen:
Stakeholderkrise,
Strategiekrise,
Produkt- und Absatzkrise,
Erfolgskrise,
Liquiditätskrise und
Insolvenzreife.
Dabei durchläuft ein KMU nicht immer alle Krisenphasen oder nimmt sie zumindest nicht immer als solche im Verlauf wahr.
Die Früherkennung von Risiken ist beispielsweise durch die regelmäßige Erhebung und Überwachung von Kennzahlen möglich:
Rückläufiger Umsatz, geringer werdende Margen und Roherträge, steigende Kostenquoten im Verhältnis zum Umsatz und ähnliches etc. sind bereits Anzeichen einer Erfolgskrise.
Rückläufige Absatzzahlen, der Verlust wichtiger Kunden oder Teilmärkte sowie eine fehlende Produkt-Pipeline sind Indizien für eine Produkt- und Absatzkrise.
Eine Strategiekrise äußert sich zum Beispiel in einer fehlenden oder falschen Neuausrichtung des Unternehmens bei sich verändernden Märkten und Umfeldbedingungen oder neu in den Markt eintretenden Wettbewerbern.
Und was, wenn eine Sanierung tatsächlich nötig ist?
Die Art der Sanierung des Unternehmens hängt in erster Linie von der Krisenphase ab, in der es sich befindet. Erfahrungsgemäß treten Unternehmenskrisen erst ab der Erfolgskrise zutage. Oft nimmt die Geschäftsführung sie erst ab der Liquiditätskrise als solche wahr. Die Wahl der Sanierungsinstrumente hängt zudem davon ab, ob Insolvenzgründe vorliegen – oder nicht. Welches Instrument im konkreten Fall möglich und sinnvoll ist, ist auch durch die Krisenursachen determiniert, die es zu beheben gilt. Aufgrund der Komplexität und der Eintrittsvoraussetzungen sollten nur erfahrene Fachleute, welche die Wirkungen und Effekte der verschiedenen Verfahren angemessen beurteilen können, eine unabhängige Einschätzung vornehmen.
Lässt sich das Unternehmen während einer Insolvenz sanieren?
Sofern es bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds einer operativen Restrukturierung bedarf, wie etwa Personalabbau, Standortschließung, Beendigung verlustreicher Verträge, Beendigung von Miet- und Leasingverhältnissen etc., sind das Eigenverwaltungsverfahren und das Schutzschirmverfahren als bewährte Optionen zu prüfen. Beide sind mit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens verknüpft. Für das Schutzschirmverfahren sind die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgründe normiert, für eine Insolvenz in Eigenverantwortung zusätzlich die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit. In beiden Verfahrensarten behält die Geschäftsführung weiterhin die Verfügungsmacht über das Unternehmen. Statt eines Insolvenzverwalters bestellt das Gericht lediglich einen sogenannten Sachwalter zur Aufsicht.
Wie lange dauert ein Eigenverwaltungsverfahren oder ein Schutzschirmverfahren?
Sowohl das Eigenverwaltungsverfahren als auch das Schutzschirmverfahren kommen idealtypisch mit einem Insolvenzplan am Ende des Insolvenzverfahrens zum Abschluss. Dabei bietet das KMU als Schuldner den Gläubigern eine Quote auf ihre Forderung in Form eines Vergleichs an. Die Verfahrensdauer beläuft sich bei beiden Varianten auf durchschnittlich sechs bis neun Monate. In sehr einfach gelagerten Fällen kann ein Verfahren nach vier bis fünf Monaten abgeschlossen sein. Im Falle schwieriger Gläubigerverhandlungen kann die Dauer hingegen auf ein Jahr und mehr ansteigen.