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EXPERTENBERATUNG

Wie können Unternehmen die Durchlaufzeiten in der Produktion reduzieren?

„Lean Management“ ist zu einem Schlagwort herabgesunken. Doch die Grundprinzipien haben an Schärfe nichts verloren.

Lean-Experte für nachhaltige Effizienz und Operational Excellence

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Das Geheimnis einer Reduktion der Durchlaufzeiten besteht in der effizienten Gestaltung der Wertschöpfungskette. Grundprinzip ist dabei die Reduzierung von Verschwendung. Deren Ursprünge reichen bekanntlich bis zu den Anfängen des Toyota-Produktionssystems in den 1930er-Jahren zurück, weshalb das Prinzip in Europa und Nordamerika auch unter dem japanischen Begriff „muda“ bekannt geworden ist, das sich mit „Verschwendung“ oder „Aktivität ohne Nutzen“ übersetzen lässt.

Ein Unternehmen vermeidet solche Aktivitäten ohne Nutzen, indem es alle Stufen der Wertschöpfung aufeinander abstimmt. In der Produktion heißt das vor allem:

  • die Einbindung von Lieferanten zur Reduzierung von Transportzeiten,
  • die Verkürzung von Liegezeiten beziehungsweise die Reduzierung von Wartezeiten durch die Ausrichtung auf eine Just-in-Time-Produktion sowie
  • eine konsequente Verkürzung der Rüstzeiten.

Diese Maßnahmen haben eine Reihe von Konsequenzen: Die Verkürzung der Liegezeiten im Lager ermöglicht eine Verkleinerung des Lagers, was die Kosten senkt. Und die Erhöhung der Durchlaufzeit ermöglicht eine deutlich schnellere Bearbeitung von Aufträgen und erhört damit die Produktivität. Beides steigert die Effektivität der Produktionsprozesse und somit letzten Endes die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Jenes Prinzip, Verschwendung im Produktionsprozess durch Abstimmung der Wertschöpfungsstufen zu vermeiden, formuliere ich so:

Nur, wenn Unternehmen die Vision des Ein-Stück-Flusses wirklich verstanden haben, streben sie nach höchster Effizienz. Egal, ob in den direkten oder indirekten Bereichen. Die Prinzipien wirken überall gleich.

Diese Prinzipien werden im Lean-Management konkretisiert und systematisiert. Dabei wird von einer bestimmten Reihenfolge in der Umsetzung ausgegangen. Eine Vorbedingung ist die Reduktion von Verschwendung an Arbeitsplätzen. Ist diese erfüllt, ist es möglich,

  • störungsfreie Prozesse einzurichten,
  • den Produktionsprozess zum Fließen zubringen,
  • den sogenannten „Rhythmus“ zu berechnen und
  • schließlich den Sog beziehungweise das „Ziehende Prinzip“ einzuführen.

Produktionsstätten sind immer auch sozial bestimmte Orte, an denen Menschen zusammenarbeiten. Um die Produktion im Sinne des Lean Managements zu organisieren, ist daher auch bei den Mitarbeitenden Verständnis für die Strategie zu schaffen. Was das im Einzelnen heißt und wie sich damit Durchlaufzeiten reduzieren lassen, erfahren Sie im Folgenden:
 

1. Vermeiden Sie Verschwendung am Arbeitsplatz

Der erste Schritt bei der Durchlaufzeitreduzierung ist die Vermeidung von Verschwendung am Arbeitsplatz.

Das setzt

  • eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung,
  • eine optimierte Materialbereitstellung,
  • eine Optimierung der Rüstzeit an der Maschine, z. B. durch Verfahren wie SMED, sowie
  • eine für den jeweiligen Prozess optimale Technologie

voraus. Diese Ziele lassen sich verschiedentlich realisieren. Ich möchte hier zwei Methoden nennen:

Einmal das sogenannte Cardboard-Engineering, bei dem die Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz im Maßstab von eins zu eins mit Pappkarton modellieren. Erst, wenn sie mit der Gestaltung zufrieden sind, wird diese in Alu-Profile oder ähnliches umgesetzt.

Das andere Verfahren zur Gestaltung des Arbeitsplatzes ist die 5S- oder 5A-Methode, die im Aussortieren dessen besteht, was an diesem Arbeitsplatz nicht nötigt ist, im Aufräumen, also im ergonomischen Anordnen der Arbeitsmittel, in der Arbeitsplatzsauberkeit, darin, die Anordnung zur Regel machen, und schließlich darin, alle Punkte einzuhalten und zu verbessern.

Wie Sie jene Ziele realisieren, ist nicht wichtig. Entscheidend ist letztlich, dass Arbeitsplätze so eingerichtet sind, dass sie ein effizientes Arbeiten ermöglichen.
 

2. Sorgen Sie für störungsfreie Prozesse

Die Einrichtung störungsfreier Prozesse ist der zweite Schritt einer Optimierung von Produktionsprozessen beziehungsweise der Reduktion von Durchlaufzeiten. Auch hierfür eignen sich verschiedene bekannte Methoden, wie etwa

  • Jidoka, um Fehler bereits während des Produktionsprozesses zu entdecken und zu beheben,
  • Poka Yoke, um zu vermeiden, dass Fehlhandlungen im Endprodukt niederschlagen, oder
  • TPM zur Instandhaltung und kontinuierlichen Verbesserung aller Unternehmensbereiche mit dem Ziel, Verluste zu eliminieren.

Alle Methoden haben etwas andere Schwerpunkte und entsprechende Vor- und Nachteile. Welche Methode Sie anwenden, hängt daher von der konkreten Situation vor Ort ab und sollte gründlich erwogen werden, gegebenenfalls mit Unterstützung eines externen Beraters. Entscheidend ist letztlich das Ziel: störungsfreie Abläufe der Prozesse und Vermeidung unnötiger Durchlaufzeiten.
 

3. Bringen Sie den Produktionsprozess zum Fließen

Nach der Optimierung der einzelnen Prozesse können Sie das Fluss-Prinzip umsetzen und Ihren Produktionsprozess gewissermaßen zum Fließen bringen. Gemeint ist die Beseitigung von Engpässen sowie die Vermeidung von Stopps in Form von Zwischenlagern oder Pufferbeständen.

Sobald die Produktion beziehungsweise die einzelnen Schritte des Produktionsprozesses so aufeinander abgestimmt sind, dass sie sich zu einer lückenlosen Kette zusammenfügen, kann auch die Steuerung schnell, flexibel und auftragsbezogen reagieren. Wesentlich dafür sind

  1. die Minimierung von Warenbestand sowie
  2. die Einführung eines Wertstrom-Designs.

Minimieren Sie den Warenbestand in der Produktion

Da der Bestand an Waren die Durchlaufzeit in der Produktion direkt beeinflusst, ist einer der wichtigsten Schritte der Prozessoptimierung, diesen Work in Process zu minimieren. Denn Bestand und Durchlaufzeit verhalten sich proportional: Je kleiner der Bestand, desto kürzer die Durchlaufzeit. Und sobald keine Ware mehr dasteht, fließen die Teile mit minimaler Durchlaufzeit.

Führen Sie ein Wertstrom-Design ein

Nutzen Sie ein Wertstrom-Design, um Transparenz über die tatsächlichen Materialflüsse zu bekommen. Diese Methode bietet einen starken Hebel, um Werte zu erhöhen und Verschwendung zu eliminieren. Denn die klassische, auf Aufträge bezogene Einzel- oder Kleinserienfertigung wird oft nach dem Werkstattprinzip ausgeführt: In bestimmten Werkstätten sind gleiche Betriebsmittel zusammengefasst, zum Beispiel CNC-Werkzeugmaschinen zur Teilefertigung in der Zerspanung. Doch dadurch kann es bei mehrstufigen Produkten zu einem unübersichtlicher Materialfluss kommen, da Bauteile wiederholt zwischen den einzelnen Werkstätten hin- und hertransportiert werden müssen – aus Sicht des Lean Managements eine offensichtliche muda, die sich auf die Durchlaufzeit negativ auswirkt.

Um die Verschwendung in einem Fertigungsbereich zu minimieren, sollten Sie daher, wenn möglich, die Maschinen optimal anordnen und die Prozesse entsprechend verketten. Die Materialflüsse lassen sich dabei mithilfe von Spaghetti-Diagrammen gut visualisieren. Die Verkettung der Prozesse lässt sich natürlich nicht immer in einem großen Schritt realisieren. Ein möglicher Zwischenschritt bis zur Fließfertigung mit minimaler Durchlaufzeit ist die Fertigung in dezentralen Strukturen, also auf Fertigungsinseln, in Fertigungssegmenten oder Fertigungszellen sowie in Fraktalen und dergleichen mehr.
 

4. Berechnen Sie den Rhythmus für Ihre Fabrik

Ist es Ihnen gelungen, Ihre Produktion nach dem Fluss-Prinzip umzustellen, können Sie den Rhythmus für Ihre Fabrik, also den Kundentakt, berechnen. Der Kundentakt lässt sich berechnen, indem die Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraums durch den Kundenbedarf innerhalb dieses Zeitraums geteilt wird.

Ein einfaches Beispiel: Der Zeitraum betrage 1 Jahr, die Anzahl der Arbeitstage 250, und die Arbeitszeit (ohne Pausen) 8 Stunden, der Kundenbedarf pro Jahr dagegen 5.000 Maschinen.

Kundentakt  =⁡〖(250×8×60min )/5000〗 =  120.000/5.000  min/Maschinen=24 min/Maschine

Das bedeutet: Alle 24 Minuten hätte eine Maschine die Fabrik zu verlassen. Daran sind die Prozesse auszurichten.
 

5. Führen Sie das Ziehende Prinzip ein

Der letzte Schritt bei der Optimierung Ihrer Produktionsprozesse besteht in der Einführung des sogenannten Pull- oder Ziehenden Prinzips.

Dazu müssen Sie an allen Produktionseinheiten beziehungsweise Maschinen und Anlagen, die noch nicht in den Produktionsfluss integriert werden konnten, Kanban-Regale aufbauen. Diese Regale oder – im Lean Management-Jargon – Supermärkte erzeugen gewissermaßen einen Sog, indem sie Materialien oder Bauteilen sammeln und so gewissermaßen an sich ziehen – eine pragmatische Lösung für die noch fehlende Integration einer Produktionseinheit. Aber die Tatsache, dass ein Kanban-Regal oder ein Supermarkt immer noch eine Verschwendung darstellt, sollten Sie immer wieder ins Bewusstsein heben und vermitteln.

Denn Ziel bleibt letztlich immer die Perfektionierung der Produktivität durch die Einrichtung eines Ein-Stück-Flusses. Und das Kriterium dafür bleibt die kürzeste Durchlaufzeit, die sich aus der Summe der Bearbeitungszeiten der Teile im Los 1 auf den einzelnen Maschinen und Anlagen ergibt. Alles andere deutet auf Aktivitäten ohne Nutzen und Verschwendung hin.
 

6. Schaffen Sie in Ihrem Unternehmen Verständnis für die Lean-Philosophie

Größere Transformationsprojekte gelingen nur, wenn alle Beteiligten den Sinn des Vorhabens verstehen und nachvollziehen können. Und das betrifft natürlich auch die Optimierung der Produktivität durch eine Verkürzung der Durchlaufzeiten.

Bevor Sie dieses Thema angehen, sollten Sie sich deshalb darum kümmern, die betroffenen und beteiligten Mitarbeitende auf diesen Weg mitzunehmen und intensiv zu schulen: Verschwendung kann man sehen lernen.

Wie das geht, zeige ich Ihnen.

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Erstellt von Gastautor

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