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Wie kann man die EU-Whistleblower-Richtlinie zu einem Wettbewerbsvorteil machen?

Die Umsetzung von EU-Richtlinien wie die DSGVO oder die sog. Whistleblower-Richtlinie sind oft Kostentreiber. Dabei lohnt der Blick auf die Wettbewerbsvorteile, die ein Unternehmen aus einer Implementierung ziehen kann. Wie sich eine Umsetzung rechnet, erklärt unser Experte.

Whistleblowing im Unternehmen: Ein Wettbewerbsvorteil

Laut einer Studie der FH Graubünden hatte sich 2020 jedes dritte Unternehmen mit groben Verstößen gegen den eigenen Verhaltenskodex auseinanderzusetzen - mit Folgeschäden in Millionenhöhe.

Dieser Befund beleuchtet ein verbreitetes Dauerproblem für die Effizienz von Abläufen in Unternehmen. Die EU hat endlich reagiert und mit der Richtlinie 2019/1937 eine Richtlinie zum Hinweisgeberschutz erlassen.

Diese sog. EU-Whistleblower-Richtlinie sollte mit einem Hinweisgeberschutzgesetz spätestens zum 17. Dezember 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden. Das Whistleblowing erreicht damit auch Deutschland: Das HinSchG verpflichtet alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern (sowie Kommunen mit über 10.000 Einwohnern) zur Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems.

Das hat lange gedauert, denn dem Whistleblowing wird in Deutschland nicht nur wegen der Erfahrungen mit staatlichen Hinweisgebern in zwei Diktaturen des 20. Jahrhunderts skeptisch begegnet. Auch die im Arbeitsrecht kodifizierte Verpfllichtung des rbeitnehmers zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber dürfte ein Faktor sein.

Demgegenüber steht die positive Rolle des Whistleblowings bei der Aufdeckung von Fehlverhalten außer Frage. Ja, die spektakulären Enthüllungen der 2000er- und 2010er-Jahre zu Kriegsverbrechen, staatliche Internet-Überwachung oder Steuerhinterziehungen dürften beweisen, dass es für ein funktionierende Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar ist.

Bei der Diskussion um Hinweisgeberschutzsystem wird allzu oft nur auf die Kosten der Investition geschielt, die sicherlich erheblich sind. Doch diesen stehen unbestreitbare Wettbewerbsvorteile gegenüber - vorausgesetzt, man setzt das Hinweisgeberschutzgesetz rasch und richtig um.

Deshalb will im Folgenden 8 Schritte skizzieren, mit denen die Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie gelingt, und parallel dazu die Wettbewerbsvorteile einer Umsetzung herausarbeiten.

1. Etablieren Sie eine Unternehmenskultur der Integrität

Schon bevor Sie die Implementierung des Hinweisgebersystems initiieren, sollten Sie proaktiv handeln und in Ihrem Unternehmen eine Kultur der Integrität etablieren bzw. fördern.

Wichtig ist, dass Sie dabei nicht nur auf die Erfüllung von Mindeststandards setzen, sondern an einer tatsächlich vorbildlichen Unternehmenskultur arbeiten, die Fehlverhalten und Zuwiderhandlungen ächtet. Denn erst dann haben Sie die Chance, ein Umfeld zu etablieren, in dem Whistleblowing etwas Positives ist.

Zur Förderung einer Kultur der Integrität gehört demnach mindestens

  1. dass alle internen und externen Hinweisgeber anonyme Meldungen abgeben können, selbst wenn dies in der EU-Richtlinie nicht vorgeschrieben ist, und
  2. dass die Führungsebene die ethische Unternehmenskultur vorlebt und so vermittelt, dass unethisches oder illegales Verhalten keinen Platz im Unternehmen haben.

Eine Unternehmenskultur, in der Integrität zentral ist, ist zwar erst eine Vorbereitung auf die Einrichtung des eigentlichen Hinweisgeberschutzsystems.

Aber schon sie stellt einen klaren Wettbewerbsvorteil dar: Einmal ist es weniger wahrscheinlich, dass es zum Schaden des Unternehmens zu Fehlverhalten kommt, und zum anderen fühlen Mitarbeiter sich wertgeschätzt, wenn sie in ihrem Bemühen ernst genommen werden, Richtlinien für ethisches Verhalten umzusetzen.

2. Fördern Sie in Ihrem Unternehmen ein Verständnis für Compliance

Schon in den ersten Implementierungsphasen des Whistleblower-Hinweisgebersystems sollten Sie nun auf allen Ebenen Ihres Unternehmens ein Verständnis für Compliance fördern.

Dieser Punkt hängt mit dem eben erwähnten Punkt, nämlich dem Aufbau einer Integritätskultur in Ihrem Unternehmen, zusammen. Denn eine Integritätskultur wird ein solche Verständnis entweder vorbereiten oder in Ansätzen schon umfassen.

Allerdings handelt es sich nicht um dasselbe: Während es beim ersten Punkt eher um ein Mindset und bestimmte Dispositionen geht, meine ich mit dem Verständnis für Compliance ein Verständnis für die Strukturen und Prozesse selbst.

Schließlich ist immer damit zu rechnen, dass bestimmte Vorurteile oder Vorbehalte gegenüber einem Hinweisgeberschutzsystem bestehen: Wird damit nicht das Anschwärzen von Kollegen legitimiert? Und werden dadurch nicht Denunziationen zu einem Instrument bei normalen Konflikten am Arbeitsplatz?

Deshalb muss allen Personen, die an der Einrichtung eines Whistleblower-Hinweisgebersystems involviert sind – also insbesondere der Geschäftsleitung, allen Niederlassungs-Leitern, den Abteilungsleitern, dem Betriebsrat und schließlich auch dem/der Compliance-Beauftragten – das Vorhaben ausführlich erläutert werden. Andernfalls könnte die breite Unterstützung fehlen, die nötig ist, um das System in der Praxis zu tragen.

Dabei muss deutlich werden, dass alle Seiten von der Einführung profitieren. Im Zentrum werden daher zwei Gesichtspunkte stehen:

  • der Schutz des Unternehmens vor finanziellen sowie Image- oder Reputationsschäden und
  • der Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien oder Strafverfolgung.

Wie immer ist letzten Endes eine professionelle Kommunikation entscheidend, die alle Stakeholder erreicht, die eigenen Mitarbeiter ebenso wie Lieferanten und Kunden. Deshalb ist es sinnvoll, schon im Vorfeld eine alle Kanäle bespielende Einführungskampagne zu planen, die die Vorteile eines Whistleblowing-Systems einfach und verständlich erklärt.

3. Sorgen Sie für eine transparente Kommunikation gegenüber allen Stakeholdern

Als nächstes sollten Sie dafür sorgen, eine möglichst transparente Kommunikation gegenüber allen Stakeholdern einzurichten, am besten, indem Sie mit Meldungen zumindest intern offen umgehen.

Damit soll wiederum die allgemeine Akzeptanz eines Whistleblower-Hinweisgebersystems erhöht werden. Stakeholder werden schließlich eher Vertrauen fassen, wenn nachvollziehbar ist, was aus Meldungen und Hinweisen letztlich wird.

Freilich: Ob Sie auch die Öffentlichkeit informieren, müssen Sie von Fall zu Fall entscheiden, denn das kann von Vorteil sein, muss es aber nicht.

Jedenfalls schaffen Sie durch transparente Kommunikation Vertrauen, indem Sie

  • demonstrieren, dass Sie das Whistleblowing ernst nehmen,
  • den Eindruck vermeiden, Fehlverhalten vertuschen zu wollen, und
  • zeigen, dass Whistleblowing funktioniert.

Und darin besteht ein weiterer Wettbewerbsvorteil des Hinweisgeberschutzsystems: Mit einem vertrauenswürdigen Unternehmen wird man eher Geschäfte machen als mit einem, dem man misstraut.

4. Kommunizieren Sie die Wirksamkeit des Systems

Ein Bestandteil einer transparenten Kommunikation gegenüber Ihren Stakeholdern ist wichtig genug, um ihn gesondert hervorzuheben: die Kommunikation der Wirksamkeit Ihres Hinweisgebersystems, nach innen ebenso wie nach außen.

Erstellen Sie dazu einen jährlichen Compliance-Report, in dem über die Zahl und Art der Meldungen sowie über die Schadenshöhe berichtet wird, außerdem über personelle Konsequenzen im Unternehmen oder bei einem Geschäftspartner bzw. Lieferanten.

Ein solcher Compliance-Report stärkt zwar die Glaubwürdigkeit Ihres Unternehmens, dient aber vor allem der Abschreckung: Müssen Mitarbeiter oder Lieferanten, die mit einem Fehlverhalten liebäugeln, eine Entdeckung fürchten, kann sie das von ihrem Vorhaben abbringen und so das Risiko von unternehmensinternem Fehlverhalten reduzieren.

Auch darin besteht ein Wettbewerbsvorteil, den Unternehmen aus der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie ziehen können: Ein Hinweisgeberschutzsystem wirkt abschreckend und beugt damit Fehlverhalten vor.

5. Beseitigen Sie Missstände rasch und konsequent

Jedes Mal, wenn ein Fehlverhalten registriert wird, sollten Sie sich unverzüglich daran machen, die Missstände konsequent zu beseitigen.

Denn mit der Meldung allein ist es natürlich noch nicht getan. Jeder Fall muss vielmehr gesondert geprüft, bewertet und entsprechend behandelt werden.

Dazu bietet sich übrigens der Einsatz eines externen und damit möglichst neutralen Beraters an. Dieser kann nicht nur den Hinweis prüfen und ggf. entsprechende Gegenmaßnahmen empfehlen, sondern auch die Strukturen und Prozesse identifizieren, die den Missstand begünstigt oder verursacht haben.

Wenn Sie einen externen Berater einsetzen, können Sie zudem eher Vertuschungsversuchen vorbeugen, zu denen sich beteiligte Mitarbeiter sich angesichts drohender Konsequenzen genötigt sehen könnten.

Würde der Whistleblower nämlich sehen, dass seine Meldung keine Konsequenzen nach sich zieht, ist es wahrscheinlich, dass er sich an die Behörden oder die Öffentlichkeit wendet. In dem Fall hätten Sie nicht nur die Kontrolle über die Kommunikation verloren, sondern müssten Reputationsschäden und schlimmstenfalls Strafzahlungen fürchten.

Dass Sie mit einem internen Whistlower-Hinweisgebersystem Ihre Außendarstellung besser unter Kontrolle halten, ist ein weiterer Wettbewerbsvorteil, den Sie aus der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern ziehen können.

6. Optimieren Sie Ihr Compliance Management-System

Wer ein System zum Schutz von Hinweisgebern einführt, wird aus zwei Gründen sein bestehendes Compliance Management-System (CMS) optimieren.

Ein Grund ist der Zwang, bei der Einführung die vorhandenen Prozesse einer gründlichen Analyse zu unterziehen. Denn die Vorgaben, die die Prozesse eine Whistleblowing-Systems laut Hinweisgeberschutzgesetz erfüllen müssen, sind recht umfangreich.

Dazu zählen gemäß der EU-Whistleblower-Richtline unter anderem

  • das Vorhandensein klarer und leicht zugänglicher Informationen zur Vorgehensweise bei externen Meldungen,
  • das Verbot bzw. die Unterlassung von Repressalien gegenüber Hinweisgebern,
  • die gewissenhafte Untersuchung jeder eingegangenen Meldung,
  • die Nominierung einer unparteiischen Person oder Abteilung als für Folgemaßnahmen zuständig,
  • eine Aufbewahrung der Aufzeichnungen einer jeden Meldung,
  • eine Bestätigung des Eingangs einer Meldung binnen einer Woche,
  • die Rückmeldung an den Hinweisgeber binnen dreier Monate,
  • der Schutz der Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers sowie
  • der Schutz der Vertraulichkeit der Identität von Dritten.

Die Analysen, die zur Einrichtung des Hinweisgeberschutzsystems nötig sind, geben damit Rückschlüsse zum Ist-Zustand der Prozesse. Und zeigen Gelegenheiten zur Optimierung auf.

Hinzu kommt, dass jeder Hinweis auf Missstände eine Belastungsprobe des Systems darstellt. Sollte sich herausstellen, dass gewisse Abläufe mehr schlecht als recht funktionieren, bieten sie gezielte Informationen für das Qualitätsmanagement und Gelegenheit, die Prozesse zu optimieren.

Dass die Einrichtung und der Einsatz eines Whistleblower-Schutzsystems einen Beitrag zur Optimierung des CMS leistet, ist somit ein weiterer Wettbewerbsvorteil, der sich aus der Umsetzung der EU-Richtlinie ziehen lässt.

7. Lassen Sie Ihr Compliance Management-System akkreditieren

Entwickeln Sie anlässlich der Umsetzung der EU-Richtlinie bzw. des Hinweisgeberschutzgesetzes Ihr Compliance Management-System weiter, sollten Sie die Chance nutzen, Ihr CMS akkreditieren zu lassen.

Maßgeblich für die Einrichtung und den Einsatz von CMS-Lösungen war bis April 2021 die Norm ISO 19600:2014. Diese ist nun durch die Norm ISO 37301:2021 ersetzt worden, die die Möglichkeit bietet, Ihr CMS bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditieren zu lassen.

Eine Akkreditierung von Dritten erhöht natürlich das Vertrauen in Ihr Unternehmen, indem sie den Willen der Geschäftsführung, Whistleblower zu schützen, sowie die Qualität des implementierten Hinweisgeberschutzsystems belegt.

Und das ist ein weiterer Wettbewerbsvorteil.

8. Richten Sie eine externe Meldestelle ein

Die EU-Richtlinie bzw. das Hinweisgeberschutzgesetz lässt unterschiedliche Formen der Umsetzung zu, aber ein wesentliches Instrument ist die Einrichtung einer externen Meldestelle.

Eben weil sie nicht im Unternehmen selbst angesiedelt ist, minimiert eine solche Meldestelle das Risiko für den Whistleblower, enttarnt zu werden, in weit höherem Maße als andere Optionen wie eine Telefon-Hotline oder ein E-Mail-Account. Und das erleichtert es wiederum, Zuwiderhandlungen wie Belästigungen am Arbeitsplatz bzw. dolose Handlungen wie Betrug, Bestechung oder Industriespionage zu melden.

Eine externe Meldestelle kann also die Wirksamkeit Ihres Hinweisgeberschutzsystems deutlich erhöhen. Dafür spricht übrigens auch die Präferenz für dieses Instrument: 60 Prozent der Unternehmen mit einem Hinweisgeberschutzsystem arbeiten mit einer externen Meldestelle.

Jedenfalls sollten Sie mit der Einrichtung einer externen Meldestelle planen: Es wird sich lohnen.