Ein OEM hatte einen mittelständischen deutschen Automobil-Zulieferer beauftragt, in einem osteuropäischen EU-Land eine neue Produktionsstätte aufzubauen. Der OEM wollte dort eine Fahrzeugproduktion starten. Um die taktgebundene (just-in-sequence) Belieferung des Zulieferers sicherzustellen, sollte auch die Fertigung des Zulieferers in räumlicher Nähe angesiedelt werden. Er erkannte schnell, dass er die Leitung dieses Großprojekts nicht mit eigenen Kräften bewältigen konnte. Darauf engagierte das Unternehmen den Interim Manager mit nachgewiesener Erfahrung bei Werksaufbau und Produktionsverlagerungen in Osteuropa.
Aufgabenpakete identifiziert und Gesamtterminplan erarbeitet
Als der Interim Manager das Projekt übernahm, waren nur wenige Vorbereitungen für die Neuansiedlung getroffen. Stattdessen gibt es zahlreiche Herausforderungen: Dazu zählten unter anderem der Aufbau einer neuen Landesgesellschaft, der Werksneubau, die Gestaltung der Supply Chain sowie das Management der über mehrere europäische Länder verteilten Projektorganisationen beim Zulieferer und beim OEM. Erhebliche Sorgen bereitete vor allem der mit 13 Monaten knappe Zeitraum bis zum geplanten Produktionsbeginn (SOP).
Nachdem der Interim Manager sich einen Überblick verschafft hatte, entwickelte er zunächst einen realistischen Gesamtterminplan. Damit gab es erstmals eine vollständige und tiefgehende Übersicht über die Projektstruktur, die Aufgabenpakete und die erforderlichen Ressourcen.
Projektplan für Neubau und Ersatzplan für Notfälle vorbereitet
Eine der drängendsten Aufgaben war es, die rechtlichen Voraussetzungen für Bau und Betrieb des Werksneubaus zu schaffen. Daher forcierte der Interim Manager gemeinsam mit der Rechtsabteilung und dem Finanzbereich des Zulieferers die Gründung einer Gesellschaft nach den landesspezifischen Vorgaben samt gerichtlicher Registrierung. Denn erst nach Abschluss der Registrierung konnten weitere wichtige interne und externe Schritte angegangen werden: Dazu zählten die Beantragung einer DUNS-Nummer, die zwingende Registrierung im IT-System des OEM sowie die Berechtigung, ein Grundstück für den Werksneubau („Greenfield“) erwerben zu können.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Neubauprojekt noch in der Konzeptphase. Und es war nicht absehbar, ob der Neubau rechtzeitig zum SOP fertig würde. Daher entwickelte der Interim Manager gemeinsam mit seinem Team einen Plan B für eine temporäre Fertigung in angemieteten Hallen („Brownfield“). Auf diese Weise stellte er sicher, dass unter allen Umständen termingerecht im Zielland produziert werden konnte.
ERP-System des Zulieferers an Anforderungen des OEM angepasst
Nachdem der Interim Manager die Grundlagen für einen erfolgreichen Aufbau von Werk und Produktion gelegt hatte, widmet er sich den Prozessen in der Organisation. Dabei stellt er fest, dass das ERP-System (SAP) des Zulieferers die Anforderungen des OEM nicht abdeckte. Deshalb musste das ERP-System landesspezifisch neu aufgebaut werden. Zusätzlich verlangte der OEM, dass das SAP-System wegen der taktgebundenen Belieferung eng an das EDI-System des OEM angedockt und durch ihn zertifiziert wurde.
Für diese Arbeiten stellt der Interim Manager kurzfristig ein SAP-Expertenteam zusammen und erarbeitete gemeinsam mit den Spezialisten einen Projektplan und ein Budget. Die Leitung dieses Teilprojekts übernahm ein SAP-erfahrener Experte aus dem Stammhaus.
Recruiting vorangetrieben und Organisation der Supply Chain optimiert
Im nächsten Teilprojekt trieb der Interim Manager das Recruiting voran. Gemeinsam mit dem deutschen HR-Bereich engagiert er eine HR Business Partnerin, die erfolgreich neue Mitarbeitende anwarb. Diese Mitarbeitenden wurden anschließend über mehrere Wochen in Deutschland qualifiziert. Auf diese Weise gelang es, eine Kernmannschaft aufzubauen, die später weitere Mitarbeitende einarbeitete. Die Montagekomponenten sowie das Engineering wurden über eine ausländische Tochter des Zulieferers bereitgestellt. Der Interim Manager holte die entsprechende Projektorganisation ins Boot und detaillierte den Projektplan mit dem dortigen Management und den Teammitgliedern.
Überraschende Forderung nach früherer Produktionsreife erfüllt
Im Verlauf des Projekts ergab sich eine neue Herausforderung: Der OEM forderte, die Produktionsreife am neuen Standort um mindestens vier Wochen vorzuziehen. Nun aktivierte der Interim Manager den vorsorglich erarbeiteten Plan B, also die zeitweilige Produktion in angemieteten Hallen bei einem logistischen Dienstleister. Für die vorgezogene Fertigung mussten die neuen Montagelinien fertig sein, die in Deutschland konstruiert und gebaut wurden. Geplant war, diese zunächst im deutschen Stammwerk aufzubauen, zu testen und danach an das neue Werk zu übergeben. Der Interim Manager hatte aufgrund seiner Erfahrung den Zeitplan für den Bau der Anlagen bereits von Beginn an gepusht. Dies erwies sich nun als Vorteil: Der Baufortschritt machte die geforderte Terminverkürzung tatsächlich möglich.
Die Anlagen konnten für die Vor-Abnahme in Deutschland rechtzeitig aufgebaut werden. Alle Produktvarianten wurden probeweise von den neuen Mitarbeitenden montiert, und dem jungen Team gelang eine erfolgreiche Vor-Abnahme in Anwesenheit von Vertretern des OEM. Nach der Freigabe wurden alle Produktionsmittel nach wenigen Monaten ins „Brownfield“ verlagert.
Kurz darauf folgte die zweite Terminverkürzung durch den OEM. Jetzt sollte die Produktion beim Service-Provider drei Wochen früher erfolgen. Zwar hatte der Interim Manager die Produkt- und Prozessfreigaben bereits vorausschauend auf eine frühere Fertigungsbereitschaft geplant, jedoch waren noch nicht alle Materialien in ausreichender Menge verfügbar. Der Interim Manager überzeugte das Projektteam des OEM daher von einem neuen angepassten Projektplan, der zunächst nur die Belieferung mit den verfügbaren Teilenummern vorsah.
Neuaufbau der Montagelinie erfolgreich, Produktionsstart ohne Störungen
Die Montageanlagen waren kurze Zeit später endgültig produktionsbereit. Der Kunde erteilte nach Erfüllung der letzten APQP-Auflagen im Frühjahr die endgültige Produktions- und Lieferfreigabe. SOP und Ramp-up verliefen im Frühsommer ohne Störungen.
Intensives Stakeholder Management fördert den Projekterfolg
Als herausfordernd und anspruchsvoll erwies sich die Kommunikation mit den Ansprechpartnern beim OEM. Zum einen waren die Projektbeteiligten auf mehrere Länder verteilt. Zum anderen liefen zentrale Informations-, Steuerungs- und Freigabeprozesse über unterschiedliche Abteilungen, insbesondere in den Bereichen IT, Lieferantenqualität und Engineering. Um möglichst reibungslose Entscheidungsfindungen sicherzustellen, organisierte und pflegte der Interim Manager ein intensives Stakeholder Management mit allen Ansprechpartnern. Seine direkte und transparente Kommunikation erwies sich während des gesamten Projekts als förderlich und zunehmend vertrauensbildend.