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Wie kann man Produktionstechnik für die globale Serienproduktion einführen?

Wer für den internationalen Markt produzieren will, muss seine Produktionstechnik über kurz oder lang an global verteilte Standorte transferieren – und komplexe technische und soziale Herausforderungen bewältigen.

Wie führt man Produktionstechnik für eine globale Serienproduktion ein?

Die erste Phase einer Einführung von Produkten, Anlagen- und Prozess-Technologien, die weltweit an mehreren Standorten für die Serienproduktion eingesetzt werden sollen, besteht in einer detaillierten Projektdefinition.

Dabei spielen vor allem die Projektziele eine herausragende Rolle, die üblicherweise in den drei Dimensionen Zeit, Kosten und Leistung definiert werden.

Im Fall der Einführung von Produkten, Anlagen- und Prozess-Technologien bedeutet das:

  • die Einrichtung der Produktionsanlagen zum termingerechten SOP der Endprodukte,
  • die Einhaltung der jeweiligen Produktionskosten unter Berücksichtigung der Qualitätsziele sowie
  • die Schaffung von Kapazitäten, die zur Herstellung der anvisierten Stückzahl ausreicht.

Die Umsetzung dieser Ziele muss auf Anhieb gelingen. Denn ein Misserfolg wäre nicht nur wegen der Ausfälle kostspielig, sondern könnte auch zu einer Verringerung des Auftragsvolumens bis hin zu einem Verlust des Auftrags und der Nominierung für künftige Aufträge führen.

Dabei kommt es meines Erachtens vor allem auf vier Faktoren an:

  1. die Zusammenstellung der Projektleitung
  2. den Transfer von Know-how über validierte Produktionstechnologien und -abläufe
  3. das Lieferanten-Management vor Ort
  4. Anpassung der Launch-Teams an die Gegebenheiten vor Ort.

1. Stellen Sie eine qualifizierte Projektleitung zusammen

Die Projektleitung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Einführung von Produktionstechnik in Werken, die auf mehrere Standorte weltweit verteilt sind – gleichviel, ob es um Kleinserienfertigung oder Massenfertigung geht.

Meiner Meinung nach sollte die Projektleitung dem Manufacturing Engineering-Team überantwortet werden – vorausgesetzt, die Mitglieder des Produktionstechnik-Teams haben folgende Qualitäten:

1. Eine positive Erfolgsbilanz

Jedes Mitglied der Projektleitung sollte sich bereits bewährt haben und eine positive Erfolgsbilanz aufweisen.

Das hört sich nach einer Selbstverständlichkeit an. Aber bei Projekten von hoher technischer und sozialer Komplexität können Sie nicht darauf verzichten.

Wesentlich dabei ist die erwiesene Fähigkeit, Probleme in der Produktionshalle zu lösen und diese Lösungen an die Produktionsteam zu vermitteln. Das hat nicht nur praktische Gründe, sondern ist auch wichtig, um bei der Arbeit im jeweiligen Produktionsbetrieb akzeptiert zu werden.

Deshalb sollten Sie bei der Zusammenstellung der Projektleitung auf Problemlösungskompetenz bei der serienmäßigen Fertigung von Bauteilen und Endprodukten achten.

2. Die Fähigkeit, Lösungen umzusetzen

Das zweite Merkmal, dass Mitglieder der Projektleitung haben sollten, ist die demonstrierte Fähigkeit, Lösungen umzusetzen.

Schließlich bleiben Lösungen für Probleme im Werk vor Ort nutzlos, wenn sie nicht unter realen Produktionsbedingungen erprobt und umgesetzt werden.

Außerdem müssen Mitglieder des leitenden Manufacturing Engineering-Teams sich das Vertrauen der Werksleitung und des Produktionspersonals am jeweiligen Standort erarbeiten, um erfolgreich arbeiten zu können. Das setzt voraus, dass sie imstande sind, ihre Vorschläge auch zu realisieren.

3. Imstande sein, die Produktion aufrechtzuerhalten

Wer Mitglied der Projektleitung ist, muss drittens imstande sein, die Produktion aufrechtzuerhalten. Kommt nämlich die Herstellung ins Stocken, sind insbesondere die Wachstumsziele in Gefahr.

Also muss das leitende Manufacturing Engineering-Team neue Maschinen und Technologien für die Serienfertigung entwickeln können, diese an die jeweiligen Standorte zu verlagern und dort einzuführen – ggf. unter Reorganisation der Produktionsprozesse.

4. Die Kompetenz, Produktionseinheiten zu restrukturieren

Mitglieder der Produktionsleitung müssen Produktionseinheiten bei Bedarf restrukturieren und die Änderungen durchsetzen können.

Denn erfahrungsgemäß werden bei der Serienfertigung in einzelnen Produktionseinheiten Probleme auftauchen, die sich nur durch eine Restrukturierung beheben lassen.

Gelingt das nicht, wird es kaum noch möglich sein, die Projektziele budgetgerecht zu erreichen.

5. Fundiertes ingenieurwissenschaftliches Fachwissen

Um robuste Prozesse zu entwickeln, die in der Serienproduktion die mit dem Kunden vereinbarte Qualität der Bauteile und Endprodukte garantieren, ist neben Management-Fähigkeit natürlich auch fundiertes ingenieurwissenschaftliches Fachwissen erforderlich.

Das Wissen sollte sich vor allem auf drei Bereiche erstrecken, nämlich auf

  • die Kenntnis der wichtigsten Prozesstechnologien der Zulieferer,
  • die Qualitätsanforderungen an die Eingangsmaterialien sowie
  • alle hausinternen Maschinen und Anlagen und der entsprechenden Produktionsprozesse.

6. Genaue Kenntnis der Anlagensteuerung

Alle Mitglieder des Manufacturing Engineering-Teams müssen zudem über eine genaue Kenntnis der Anlagensteuerung verfügen. Sonst sind die Produktionsziele, die festgesetzt worden sind, nicht zu erreichen.

7. Fähigkeit, in besonderen Fällen beratend tätig zu sein

In besonderen Fällen sollten Mitglieder der Projektleitung schließlich auch als hauseigene Berater des Produktionsbetriebes auftreten können, namentlich in zwei Bereichen:

  1. in einer unterstützenden Funktion als Berater des Qualitätsmanagements bei der Bearbeitung von Kundenreklamationen bzw. der Produktion bei der Lösung wichtiger, budgetrelevanter Probleme;
  2. bei der proaktiven Entwicklung innovativer Konzepte, um das Unternehmen auf künftige Herausforderungen in der Produktion vorzubereiten.

2. Transferieren Sie das Know-how

Ein global tätiges Unternehmen hat im Wesentlichen zwei Optionen, wenn es Know-how transferieren und neue Produkte zur Serienreife führen will:

  • einmal die Option einer von den einzelnen Werken selbst verantworteten, dezentralen Einführung, oder
  • die von einem zentralen Produktionstechnik-Team begleitete, zentralisierte Einführung.

Der zentralisierte Transfer von Know-how hat vor allem den Vorteil, dass Probleme sich schneller lösen lassen, die beim Transfer auftreten. Denn aufgrund der standardisierten Produktionstechnik kann an mehreren Standorten gleichzeitig an Lösungen gearbeitet werden und die beste schließlich weltweit implementiert werden.

Doch worauf kommt es bei einem zentralisierten Transfer von Produktionstechnik an?

1. Wählen Sie einen qualifizierten Projektleiter aus

Entscheidend für den Erfolg des Transfers ist die Auswahl eines qualifizierten Projektleiters.

Dabei kommt es auf die fachliche Kompetenz des Managers ebenso an wie auf dessen Führungsqualitäten. Idealerweise verfügt er über

  • einen fundierten ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund,
  • Problemlösungskompetenz in der Produktion,
  • Leidenschaft für Innovationen,
  • einen gesunden Pragmatismus sowie
  • die Fähigkeit, als Mentor der leitenden Angestellten vor Ort aufzutreten.

Erfahrungsgemäß ist dieser Mix für die Akzeptanz bei den jeweiligen Produktionsfachkräften entscheidend.

Wichtig ist nicht zuletzt auch die Berichtsebene des Managers: Er sollte mindestens auf derselben Berichtsebene wie die Werksleiter angesiedelt sein und über ein eigenes Budget bzw. Team verfügen. Denn erst dann wird er hausintern die erforderliche betriebspolitische Reichweite haben, um Entscheidungen verantworten zu können.

2. Stellen Sie das zentrale Transfer-Team zusammen

Als nächstes sollten Sie ein Transfer-Team zusammenstellen, das imstande ist, die termingerechte Entwicklung, Validierung und Übertragung aller erforderlichen Technologien, Prozesse und Verfahren an die global verteilten Produktionsstätten zu übernehmen und ggf. die nötigen Schulungen der Mitarbeiter vor Ort durchzuführen.

Dementsprechend sollte dieses Team aus mindestens drei operativen Einheiten bestehen:

  • Manufacturing Engineering,
  • Applications Engineering und
  • Global Quality Assurance.

Dieses Team wird die volle Verantwortung für die Durchführbarkeit und Performance der transferierten Produktionstechnik unter Serienbedingungen tragen, um zu vermeiden, dass die Verantwortung bei Misserfolgen weitergereicht wird.

Bei der Auswahl der Teammitglieder sollten die Fach- und Führungskompetenzen in der Produktion im Vordergrund stehen. Weniger wichtig sind sprachliche Lücken, die durch Übersetzer geschlossen werden können.

Nach Möglichkeit sollte das Team aus einer Mischung von erfahrenen Experten und jungen, lernwilligen Ingenieuren bzw. Technikern bestehen.

3. Stellen Sie an jeder Produktionsstätte ein lokales Empfangsteam zusammen

An den jeweiligen Standorten ist ein sog. Technologie-Empfangsteam dafür verantwortlich, die Produktionstechnologie zu übernehmen und mit Unterstützung des Transfer-Teams zu implementieren.

Außerdem wird das lokale Team für die Sicherstellung einer robusten und kontinuierlichen Produktion verantwortlich sein, nachdem das zentrale Transfer-Team den Standort verlassen hat.

Die Mitglieder des Empfangsteam sollten daher folgende Bereiche abdecken:

  • Prozess-/Produktionstechnik,
  • Lokale Qualitätssicherung,
  • Instandhaltung und Infrastruktur sowie
  • Arbeitssicherheit.

4. Fördern Sie das Teambuilding

Für die Zeit der Zusammenarbeit vor Ort muss aus beiden Teams, dem zentrale Transfer-Team und dem lokale Empfangsteam, ein Team geformt werden.

Das setzt einerseits eine klare Definition der jeweiligen Zuständigkeiten voraus. Das beinhaltet auch die regelmäßige Festlegung von Zielen für jedes Team-Mitglied und eine Kontrolle der Umsetzung sowie die Durchführung ggf. dafür nötiger Schulungen.

Zum anderen sollte ein aktives Teambuilding betrieben werden mit dem Ziel, innerhalb des Teams Vertrauen und Respekt herzustellen. Das ist nicht umsonst zu haben: Vielmehr sollten ausreichende Mittel dafür eingeplant und bereitgestellt werden.

3. Bauen Sie eine lokale Lieferantenbasis auf

Der dritte Schritt einer weltweiten Einführung von Anlagen, Prozessen und Produkten für die Serienproduktion an mehreren Standorten ist der Aufbau einer lokalen Lieferantenbasis.

Die Etablierung lokaler Lieferketten dient der Unterstützung der Produktionsstätten vor Ort.

Denn eine Lokalisierung der Lieferantenbasis kann Supply Chain-Risiken so weit wie möglich reduzieren. Das ist nicht nur bei der Massenfertigung von Bauteilen bzw. Endprodukten nötig. Lieferkettenengpässe würden schließlich auch Produktionsstätten betreffen, an denen nur Kleinserien geplant ist.

Der zweite Vorteil einer lokalen Lieferantenbasis liegt in der Chance, Herstellungskosten zu senken und zugleich die Effizienz der Fertigung vor Ort zu steigern: beides entscheidende Faktoren bei der Umsetzung lokaler Kostenziele.

Beim Aufbau einer lokalen Lieferantenbasis sollten Sie allerdings darauf achten, dass Sie strategisch wichtiges Know-how nicht an den Markt verlieren. Sie sollten also nur solche Produkte und Dienstleistungen an lokale Lieferanten auslagern, die für Ihre Wertschöpfungsstufen keine strategische Bedeutung haben. Deren Identifizierung setzt allerdings umfassende Analysen voraus. Die entsprechenden Make-or-Buy-Entscheidungsprozesse sollten Sie deshalb möglichst frühzeitig initiieren.

4. Berücksichtigen Sie bei der Zusammenstellung Ihrer Launch-Teams lokale Gegebenheiten

Der vierte und letzte Schritt besteht in der Zusammenstellung der Launch-Teams unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten. Denn je nach Produkt, Produktionsstandort und Zielkunden muss anders vorgegangen werden.

Auch wenn das Launch-Management im Einzelnen komplex ist, lassen sich im Großen und Ganzen vier Szenarien unterscheiden:

  1. Die Erschließung global verteilter Produktionsstandorte
  2. Der Eintritt in den internationalen Markt mit wettbewerbsfähigen Produkten
  3. Der Eintritt in den internationalen Markt mit noch nicht wettbewerbsfähigen Produkten
  4. Der Eintritt in den internationalen Markt mit neuentwickelten Produkten

1. Szenario: Die Erschließung global verteilter Produktionsstandorte

Im ersten Szenario sollen weitere Produktionsstandorte an global verteilten Orten erschlossen werden. Das Design, die Qualität und der Preis dieser Produkte sind stabil und zudem international wettbewerbsfähig. Ziel sind typischerweise Aftermarket-Kunden.

In diesem – günstigsten – Fall wird ein kleines Kernteam aus qualifizierten Mitarbeiten der Produktions- sowie der Qualitätsabteilung ausreichen, um die Vorbereitungen für den Transfer der Produktionstechnologien an die neuen Standorte zu begleiten.

2. Szenario: Eintritt in den internationalen Markt mit wettbewerbsfähigen Produkten

Im zweiten Szenario sollen Produkte, deren Design, Qualität und Preis international wettbewerbsfähig sind, auf den internationalen Markt gebracht werden. Zielkunden sind in diesem Fall OEMs.

Die Herausforderung besteht hier darin, die Produktionstechnik so an die weltweit verteilten Produktionsstätten zu transferieren, dass diese ohne Qualitätsverlust produzieren können. Erwartet doch der Kunde die Einhaltung eines vom Standort unabhängigen Qualitätsniveaus.

Dazu muss ein internationales Launch-Team zusammengestellt werden, das die technischen und organisatorischen Details des Technologie-Transfers bewältigen kann. Außerdem sollte das Launch-Team imstande sein, Mitarbeiter vor Ort zu schulen, wenn diesen die Ausbildung und Erfahrung der Mitarbeiter des ursprünglichen Produktionsstandortes fehlt. Andernfalls wird eine Herstellung von Produkten von gleichwertiger und gleichbleibender Qualität zu den vorgegebenen Herstellungskosten nicht zu gewährleisten sein.

3. Szenario: Eintritt in den internationalen Markt mit noch nicht wettbewerbsfähigen Produkten

Im dritten Szenario sollen lokal hergestellte Produkte, die im internationalen Wettbewerb noch nicht bestehen können, auf den internationalen Markt gebracht werden mit OEMs und/ oder Aftermarkt-Kunden als Ziel.

Dabei wird davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter vor Ort das Potenzial haben, das Produkt den Kundenerwartungen entsprechend herzustellen. Allerdings müsste nicht nur das Design den Ansprüchen der Zielkunden angepasst werden, sondern auch die Qualität, die schließlich von Charge zu Charge unverändert bleiben muss.

In diesem Fall ist es Sache des Product Engineering-Teams, die Anpassung des Designs und dessen Validierung vorzunehmen sowie die Freigabe seitens des Kunden zu begleiten, während das Manufacturing Engineering-Team die interne Freigabe des Produkts für Herstellung verantwortet.

4. Szenario: Eintritt in den internationalen Markt mit neuentwickelten Produkten

Im vierten Szenario soll ein neuentwickeltes Produkt an mehreren, global verteilten Standorten produziert werden, und das Produkt soll noch im selben Jahr auf den Markt kommen.

Die Vorgehensweise unterscheidet sich hier zwar nicht wesentlich vom Verfahren der Szenarien 2 und 3. Es könnte allerdings erforderlich sein, dass das Manufacturing Engineering-Team eine gänzlich neue Fertigungstechnik entwickelt, validiert und zeitnah in der Serienproduktion einsetzt – zum Beispiel um straffe unternehmensinterne Kostenziele zu erfüllen oder hohen Qualitätsanforderungen seitens des Kunden zu genügen.

Die Herausforderung ist also ungleich größer als die der Szenarien 2 und 3, enthält aber auch eine Chance auf Wachstum und Steigerung der globalen Wettbewerbsfähigkeit. Denn die Aufrüstung bestehender Maschinen und/ oder die Entwicklung neuer Produktionsmaschinen und -technologien ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz.