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EXPERTENBERATUNG

Wie können deutsche KMU in China aktiv werden?

Die Marktchancen in China sind riesig, schon allein der 1,4 Milliarden Einwohner wegen. Doch Null-Covid-Strategie, Taiwan-Krise und chinesische Innenpolitik haben die Euphorie der letzten 20 Jahre merklich gebremst: In China Geschäfte zu machen, ist komplizierter und riskanter geworden. Was bedeutet das für deutsche KMU? Fragen an unseren China-Experten vor Ort.

Experte für Geschäftsfeldentwicklung in China und Asien

Experte für Geschäftsfeldentwicklung in China und Asien

  • Wachstum und Geschäftsentwicklung in China und Asien (KMU, Automotive)
  • Kostensenkung in Einkauf, Lieferkette, Logistik und Produktion
  • Vertrieb: Aufbau von schlagkräftigen Teams und Strukturen
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Sie sind seit 2013 als Interim Manager und Berater in China tätig. Wie hat sich Ihre Arbeit seitdem verändert?

Verändert hat sich vor allem die Bewegungsfreiheit, die zur Zeit der Corona-Pandemie stark eingeschränkt war. Das war fast schon ein Rückfall in alte Zeiten: Ich war 1993 das erste Mal in China. Damals wurde man für Meetings mit Offiziellen noch vom Hotel abgeholt, und dann fuhr man mit einer Polizeieskorte über die Autobahn – ganz langsam, wegen den Schlaglöchern, den Traktoren und Kühen auf der Fahrbahn. 2013 hatte man dann schon uneingeschränkt Reisefreiheit, zumindest im Osten Chinas. Nur Billighotels durften Ausländer nicht buchen, aber das war nicht weiter schlimm. Die Zimmer waren verraucht, es gab Kakerlaken und das Frühstück fehlte.

Damit war es dann aber wieder vorbei, wegen Covid 19. Die Corona-Politik der Regierung hatte da große Auswirkungen. Aber vor 30 Jahren waren nur Ausländer betroffen. Zur Corona-Zeit war die Bewegungsfreiheit für alle eingeschränkt, nicht nur für Ausländer.

Ein Beispiel: Jeder musste ständig nachweisen können, dass er kein Ansteckungsrisiko darstellte, mit einer App auf dem Smartphone – am Flughafen, Taxistand und so weiter, aber auch vor Einrichtungen wie Krankenhäusern. Ich habe selbst erlebt, wie die Torwache am Krankenhaus eine Frau mit Kind nicht durchließ, weil der QR-Code auf ihrem Handy nicht aktuell war. Zusätzlich brauchte man noch ein aktuelles Testergebnis. Und musste das Fiebermessen bestehen. Das Problem dabei war: Jede Provinz generierte damals eigene Codes. Und die Vorschriften und Regelungen konnten sich auch unterscheiden. Das machte Reisen sehr, sehr mühsam.

„Die Null-Covid-Politik ist hart.“

Und wie nahmen deutsche oder europäische Expats diese Einschränkungen auf?

Nicht gut: Die Zahl der europäischen Expats im Land hatte sich seit Ausbruch der Pandemie ungefähr halbiert. Da muss man sich nicht wundern.

Und die Unternehmen?

75 Prozent der europäischen Firmen in China berichteten, die strengen Eindämmungsmaßnahmen würden ihren Betrieb beeinträchtigen. Und fast alle beklagten Lieferkettenprobleme, bedingt durch Hafenschließungen und steigende Frachtkosten.

Europäische Unternehmen litten also unter den Maßnahmen. Was bedeutete das für die chinesische Wirtschaft?

Das war damals schwer zu sagen. Die Entwicklung hing davon ab, wie es mit den strikten Corona-Maßnahmen weiterging. Vor allem die Lieferketten waren ein Problem: Und gefährlich wurde es, weil 23 Prozent der befragten Firmen darüber nachdachten, neue Investitionen auf Eis zu legen. Der Schuss konnte also schnell nach hinten losgehen, wenn der Kunde auf die versprochenen Teile vergebens warten musste.

Aber die strikten Corona-Maßnahmen sind das eine.

Da ist ja noch das Kriegsszenario: Nach Nancy Pelosis Besuch in Taiwan im August 2022 erzählte Ihnen jeder Taxifahrer: China zieht demnächst in den Krieg gegen die USA, und dass Taiwan vor einem Atomschlag zittert. Das ist natürlich Quatsch, denn China hätte bei einem Angriff sehr viel zu verlieren. Aber die Politik ist unberechenbarer geworden, das ist schon so, zum Schaden der chinesischen Wirtschaft.

Wie ging es damals der chinesischen Wirtschaft?

Der Purchasing Manager Index fiel damals auf 45,9. Das heißt: Es wurde im produzierenden Gewerbe wesentlich weniger eingekauft als noch ein paar Monate zuvor. Die Wirtschaft brummte nicht mehr. Wie denn auch: Die Null-Covid-Politik war hart. Außerdem waren die Maßnahmen oft widersprüchlich, vor allem, wenn sie von lokalen Gemeindeverwaltungen stammen. Die Maßnahmen konnten stark voneinander abweichen. Leider! Denn die Null-Covid-Strategie überlagert die vielen positiven Entwicklungen der letzten Jahre.

Können Sie Beispiele nennen?

Eine positive Entwicklung war der Kampf gegen die Korruption. Er traf zwar nur einzelne Politiker. Aber der Rückgang war spürbar, da hatte sich viel getan. Positiv entwickel hat sich auch der Umweltschutz: Die Umweltverschmutzung nahm in den letzten Jahren kontinuierlich ab. So mussten in der Produktion zum Beispiel Filtersysteme an den Maschinen installiert werden. Das wurde scharf kontrolliert. Natürlich kann man immer mehr tun. Und die komplexen Vorgaben aus Beijing wurden von den lokalen Behörden oftmals fehlinterpretiert. Das führte zu Widersprüchen: Dort, wo keine Verschmutzung entstand, mussten wir aufwendig eine teure Abgasanlage installieren, und wo Funken sprühten, brauchten wir nichts tun. Aber der Trend war positiv. Dann kam die Null-Covid-Politik, die meines Erachtens nicht durchzuhalten war, da das System viele Lücken hat. Das halte ich für ziemlich offensichtlich.

„Auch die deutsche Politik macht Fehler.“

Wie wird sich Chinas Wirtschaft Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Politisch wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Xi Jinping wurde wiedergewählt. Und die Erfahrung zeigt: Je länger Regierungschefs im Amt sind, desto gefestigter sind sie in ihrer Einstellung. Aber wie gesagt: Die größte Bedrohung war damals das Festhalten an der Null-Covid-Politik. Nicht nur die Industrie war dadurch stark eingebrochen, sondern auch der Jahrzehnte lang boomende Immobiliensektor. Was China gebraucht hätte? Eine wirkungsvolle Impfkampagne. Aber leider glaubten auch viele Chinesen an Verschwörungstheorien. Vor allem ältere Menschen weigerten sich, sich impfen zu lassen.

Wie sehen Sie die deutsche Wirtschaftspolitik gegenüber China?

Auch die deutsche Politik macht Fehler. Angela Merkel, deren Engagementpolitik die Strategie der EU gegenüber Beijing maßgeblich geprägt hat, besuchte China mindestens einmal im Jahr. Ihr Nachfolger Olaf Scholz ließ im April 2022 auf seiner ersten Asienreise China jedoch aus, besuchte stattdessen Japan. Und auf Druck der USA soll nun auch Deutschland chinesischen Firmen wie Huawei mit Sanktionen drohen. Welch ein politischer und wirtschaftlicher Schaden! Nicht nur für Deutschland, sondern auch für die vielen deutschen Firmen in China.

Aber die Politik kann sich doch nicht allein von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Da sind die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, die territorialen Konflikte mit Taiwan und Japan.

Ja, sicher. Aber aus meiner Sicht steckt man hier den Kopf in den Sand und hofft, dass all diese Differenzen schnell vorübergehen – auf beiden Seiten, in Deutschland und in China. Diese Situation verschwindet aber nicht einfach, sie wird noch mehrere Jahre andauern. Ich denke, Austausch ist nach wie vor wichtig. Warum schicken wir überhaupt Leute in andere Länder, wenn doch Zoom-Meetings ausreichen? Wir tun dies, weil wir Beziehungen knüpfen können, weil wir Freunde finden können. Wir müssen direkt kommunizieren und miteinander sprechen, um die vielen Schwierigkeiten zu überwinden.

„Die Lösung ist, in China nur noch für den chinesischen Markt zu produzieren.“

Was raten Sie deutschen KMU in China?

Konzerne, die international agieren und auf Import und Export angewiesen sind, haben schon Ansätze entwickelt, mit denen sie die genannten Einschränkungen überwinden können. Daran kann sich auch der Mittelstand orientieren. Die Lösung ist, in China nur noch für den chinesischen Markt zu produzieren.

Das heißt konkret:

  • Die HQ verschiebt man ins asiatische Ausland. So konnten die Führungskräfte und ihre Familien den harten Lockdowns entkommen – was sie in den Firmen hielt.
  • Seine Büros vor Ort verschlankt man, indem man bedarfsweise Dienstleister wie Interim Manager einsetzt. Das ist in praktischen allen Unternehmensteilen möglich – Geschäftsführung, Finanzen, HR, Verkauf und Marketing, IT. Das minimiert auch die ohnehin oft wenig effektiven Reisen von und nach China. sie sind meist zu kurz, um zum Beispiel neue Kunden zu gewinnen. Dafür braucht man längeres professionelles Engagement vor Ort.

Bei Produkten, die für den chinesischen Markt bestimmt sind, sind folgende Maßnahmen sinnvoll:

  • Produziert wird an lokalen Standorten in der Nähe der Kunden. Der Transport reduziert sich dadurch auf ein Minimum.
  • Man setzt auf eine schlanke, halb- und vollautomatisierte Produktion, mit der sich die Personalkosten senken lassen.
  • Forschung und Entwicklung finden in China statt, um Produkte an den chinesischen Bedarf anzupassen. Deutsche neigen manchmal zu einem Overengineering, das der chinesische Kunde nicht braucht.

Und bei Produkten, die nicht für China bestimmt sind, empfiehlt sich Folgendes:

  • Man produziert nicht in China für die Welt, sondern anderswo. Braucht man zum Beispiel eher Arbeiter als Maschinen, ist sicherlich Indonesien eine gute Adresse. Wenn der Automationsgrad hoch ist und man entsprechend gut ausgebildete Mitarbeiter braucht, sind Malaysia, Thailand oder Indien sehr gute Optionen.

Hier wird man eine belastbare Gesamtkostenrechnung und Nutzwertanalyse durchführen und vergleichen müssen, um die beste betriebswirtschaftliche und strategische Lösung zu finden.

Wie schätzen Sie derzeit die Chancen eines Markteintritts in China ein?

Falls die Organisation agil ist: immer noch gut. In sich schnell verändernden Umfeldern ist es überlebenswichtig, sind schnell an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Dies erfordert trotz großer Unsicherheit Zuversicht, positive Stärkenorientierung und Mut zum Experimentieren. Wenn der Lockdown etwas Positives hatte, dann Fortschritte in der Digitalisierung. Neue Tools bieten die Möglichkeit, bisherige Prozesse nicht bloß notdürftig zu ersetzen, sondern eröffnen vielfältige, innovative Chancen. Organisationen sollten auch heute noch die Gelegenheit nutzen,

  • ihre Online-Angebote weiterzuentwickeln,
  • neue Kundengruppen anzusprechen und
  • eingestaubte Prozesse durch gezielte Automatisierung zu optimieren.

Die Corona-Krise zeigte zudem, wie riskant es sein kann, das Geschäftsmodell auf einzelne Produkte und globale Logistikketten zu bauen. Man braucht also eine breite Risikostreuung und regionale Vernetzung. Das ist robuster. Das heißt: neue Geschäftsfelder erschließen und Investitionen in die Zukunft, auch in China.

Was raten Sie deutschen Unternehmen, die in China aktiv werden wollen?

Die Wahrheit ist: Geschäfte in China zu tätigen, ist komplexer und teurer, als es in der Vergangenheit war. Und man muss zur Kenntnis nehmen, dass China in vielem immer noch ein Entwicklungsland ist, was Korruption und bürokratische Hürden betrifft. Die Abläufe und Dynamiken vor Ort muss man also gut kennen, um effektiv mit Behörden und lokalen Geschäftspartnern verhandeln zu können: Wer sich auf einen Markteintritt in China vorbereitet, braucht Manager vor Ort, die eine Firma aufbauen und steuern können. Und es braucht Verkäufer mit Produkt- und Sprachkenntnissen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich würde dazu raten, eine Liste der Kennzahlen zusammenzustellen, die man erreichen will: Automatisierungsgrad, Anzahl von Kunden, Umsatz und so weiter. Ferner den Zeitrahmen dafür festzulegen. Und sich zu überlegen, an welchem Standort man produzieren will. Dann kann man diese KPI mit einem Interim Manager diskutieren, der die Gegebenheiten vor Ort sehr gut kennt. Er wird das Vorhaben einschätzen können. Auf dieser Grundlage kann man dann weiterarbeiten.

Die nächsten Schritte

Sie wollen Marktchancen in China nutzen? Oder brauchen Unterstützung bei Ihren chinesischen Aktivitäten? Unser China-Spezialist steht Ihnen als Interim Manager und Berater zur Verfügung.

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